Seit zehn Jahren engagiert sich die Potsdamer Bürgerstiftung für die Stadt. Doch bis heute ist das Geld knapp.
Die Stürme des vergangenen Wochenendes haben gezeigt, welche Kraft die Natur hat. Bei der Potsdamer Bürgerstiftung hat jedoch weder Ylenia noch Zeynep, sondern bereits das Sturmtief Nadia großen Schaden angerichtet. Ende Januar fegte Nadia übers Land und zerstörte eine der beiden Fahrradrikschas, die die Stiftung in den vergangenen Jahren angeschafft hat, um mobilitätseingeschränkten Senioren Ausflüge zu ermöglichen. Dem grün-weißen Gefährt wurde ein Baum zum Verhängnis, der in voller Länge auf den Fahrradparkplatz gestürzt ist, auf dem die Rikschas erst kurz zuvor abgestellt worden waren.
Das allein war schon eine böse Überraschung, doch es sollte noch schlimmer kommen: Da die Bäume auf dem Parkplatz regelmäßig kontrolliert werden, weigern sich die Versicherungen den Schaden auszugleichen. Spendengelder in Höhe von 9.000 Euro waren 2019 in die Spezialanfertigung dieses besonderen E-Bikes geflossen, das neben dem Fahrer zwei Erwachsenen samt Rollatoren Platz bot. Eine Katastrophe für die Stiftung, die in Anbetracht der bevorstehenden Coronalockerungen bald wieder Ausflugsfahrten anbieten will.
An Nachfragen mangele es nicht, erzählt Stiftungsgründerin Marie-Luise Glahr. Für den Saisonstart bleibt nun nur die zweite, kleinere Rikscha, mit der allerdings keine Gehhilfen transportiert werden können. Um den Schaden etwas abzumildern will die Stiftung nun versuchen, in Kooperation mit Design-Studierenden der Fachhochschule Potsdam das zerstörte Pedelec in ein Lastenrad umzuwandeln. Für den Transport von Personen kann es nach einem Schaden an der Achse nicht mehr verwendet werden und für eine neue Rikscha fehlt es an den finanziellen Mitteln.
Die Finanzen bereiten der Gründerin und Vorsitzenden ohnehin die größten Sorgen. Denn die Stiftung, die im vergangenen Oktober zehn Jahre alt geworden ist, lebt quasi „von der Hand in den Mund“. Nach einer zweijährigen Zwischennutzung des ehemaligen Klosterkellers in der Friedrich-Ebert-Straße wurde im Dezember ein Umzug nötig. Als neues Quartier dient nun die markante Pyramide auf dem Gelände der Märkischen Allgemeinen Zeitung, die Marie-Luise Glahr für einen sehr guten Preis anmieten konnte, wie sie sagt. Getreu ihrem Motto "Lebe Deine Stadt" plant die Stiftung von hier aus schon die nächsten Veranstaltungen. Zwar ist in der Friedrich-Engels-Straße der Platz für die "Buntes B" genannten und sehr beliebten Jugendveranstaltungen der Bürgerstiftung zu eng, ein neuer Standort in der Potsdamer Mitte ist aber bereits in Aussicht. Das Projekt ist im vergangenen Jahr auf Initiative von Glahrs ältester Tochter entstanden. Andere Aktionen, Aufführungen und Netzwerktreffen sollen in und rund um die Pyramide weitergeführt werden.
Sehr am Herzen liegt der Bürgerstiftung auch die Bühne auf der Freundschaftsinsel, die engagierte Ehrenamtler mitten in der Pandemie aus ihrem Dornröschenschlaf geholt und wieder nutzbar gemacht haben. Über 100 Veranstaltungen konnten dort 2021 stattfinden, immer gratis für die Zuschauer und meist mit relativ kleinen Gagen auf Spendenbasis für die Künstler. Doch noch wartet die Bürgerstiftung auf ein Vergabeverfahren und auf eine Finanzierungszusage für die kommende Saison.
Perspektive: Haus des Ehrenamts
Fest geplant ist ein Drachenbootrennen in der Alten Fahrt am 28. Mai. 24 Teams mit jeweils etwa 20 Teilnehmenden sollen gegeneinander antreten. Die Stiftung rechnet mit acht Profi- und 16 Amateurteams. Vereine, Unternehmen und Institutionen können ab sofort eigene Teams anmelden. Das Startgeld pro Boot beträgt 250 Euro. Das Event soll Amateuren die Möglichkeit eines sportlichen Wettkampfs mit viel Spaß geben. Zudem werden weitere Wassersportarten vorgestellt. Es ist aber auch als Möglichkeit für weitere Vereine und Organisationen gedacht, ihr Engagement in der Stadt vorzustellen und sich zu vernetzen. Denn auf Dauer wünscht sich die unermüdliche Kämpferin Marie-Luise Glahr ein „Haus des Ehrenamts“ für Potsdam, in dem unterschiedliche Organisationen ein Zuhause finden und Synergien entwickeln können.
Die Bürgerstiftung selbst sei für sie "wie ein viertes Kind", gibt die 50-Jährige zu, die hier oft mehr als 40 Stunden pro Woche arbeitet ohne einen Cent daran zu verdienen. Dieses Baby kommt mit zehn Jahren allerdings langsam in die Pubertät und sollte sich nun langsam abnabeln. Doch dazu braucht es Mittel, um Mitarbeitende zu finanzieren. Nur so können Förderanträge fristgerecht gestellt werden und Projekte auf einer soliden Grundlage wachsen. Bislang arbeiten hier die meisten ehrenamtlich, rund 40 Aktive zählt das Team der Inselbühne, acht bis zehn Engagierte kümmern sich um das Bürgermobil – und die Rettung der zerstörten Rikscha.
Nur die zehn Aktiven, die sich um das wohl bekannteste und erfolgreichste Projekt der Stiftung, den Potspresso-Pfandbecher kümmern, werden für ihre Arbeit mithilfe von Projektfördermitteln entlohnt. Der Becher ist mittlerweile nicht nur unter Potsdamern äußerst beliebt, sondern hat sich auch zu einem erfolgreichen Souvenir für Touristen entwickelt. Selbst aus Neuseeland gab es schon Anfragen.
Hinzu kommen ein sechsköpfiges Strategieteam und ein elfköpfiges Kuratorium zur Beratung der Stiftung, dem unter anderem die Intendantin des Hans-Otto-Theaters, Bettina Jahnke, der Generaldirektor der Schlösserstiftung, Christoph Martin Vogtherr und der Geschäftsführer der Sozialen Stadt Potsdam, Daniel Beermann, angehören. Nur eines fehlt noch: ein engagierter Mäzen, der die Finanzierung sichert oder viele Mitglieder im eigens geründeten Freundeskreis, der als Förderverein die Stiftung finanziell unterstützt.