Sonderausstellung zu Baupolitik, Stadtverfall und Bürger-Engagement in der DDR
Bröckelnde Fassaden, einstürzende Dächer, Leerstand und der Abbruch zahlreicher Altbauten: Das Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte zeigt bis 12. Februar 2023 die Ausstellung „Stadtwende“, die sich der DDR-Baupolitik und dem bürgerschaftlichen Engagement gegen Stadtverfall und Abriss widmet.
Die als Wanderausstellung konzipierte Dokumentation gibt Einblicke in zentrale Erkenntnisse eines vierjährigen Forschungsprojektes der Technischen Universität Kaiserslautern in Kooperation mit der Bauhaus Universität Weimar, dem Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung in Erkner und der Uni Kassel, das vom Bundeforschungsministerium finanziert wurde. „Wer 40 Jahre oder älter ist, erinnert sich noch gut an den desolaten Zustand zahlreicher Innenstädte der DDR am Ende der 1980er Jahre. Die Ausstellung veranschaulicht, wie es so weit kommen konnte – aber auch, was dagegen unternommen wurde“, so Kurator Prof. Dr.-Ing. Holger Schmidt, TU Kaiserslautern.
In einem einführenden Ausstellungsteil werden die Hintergründe, Prioritäten und Fehlentwicklungen von Städtebau und planwirtschaftlicher Baupolitik als DDR-weites Phänomen dargestellt, das durchaus den vorherrschenden städtebaulichen Leitbildern der europäischen Nachkriegsära entsprach. Für die acht ostdeutschen Städte, in denen die Ausstellung gezeigt wird, wurden in enger Kooperation mit den örtlichen Museen, Leihgebern und Zeitzeugen Module der Bau- und Stadtgeschichte zwischen Wiederaufbau und Wendezeit entwickelt.
Am Beispiel Potsdams zeigt sich exemplarisch, wie sich in der DDR am Ende der 1980er Jahre Widerstand gegen die einseitig ausgerichtete Baupolitik formierte. Zunächst in Form von Eingabe-Briefen, später als Arbeitsgruppen unter dem Dach des DDR-Kulturbunds oder der Kirche. Auf diese Weise entstanden in Potsdam 1988 Bürgergruppen wie „ARGUS“ oder die „Arbeitsgemeinschaft Pfingstberg“, die immer offener gegen Denkmalverfall und Abrisspolitik opponierten und für eine erhaltende Stadterneuerung eintraten. „Diese oppositionellen Initiativen führten in Potsdam eine „Stadtwende“ herbei. Damit haben sie wesentlich dazu beigetragen, dass neben den Schlössern und Gärten auch die Altstadt erhalten und später saniert werden konnte“, betont die Kulturbeigeordnete Noosha Aubel.
Die Ausstellung bettet die Geschehnisse der Wendezeit in einen Rückblick auf die wichtigsten Etappen in der Potsdamer Stadtentwicklung nach 1945 ein. Dabei werden die Entwicklungen in Potsdam durch den Hintergrund der baupolitischen Weichenstellungen der DDR-Nachkriegsära erst verständlich. Hier kann die Ausstellung mit einer Reihe bisher unveröffentlichter Fotografien, Plänen und Dokumente aufwarten.
Wenig bekannt ist beispielsweise, dass es in der DDR schon früh wegweisende Ansätze für eine bestandsorientierte Stadterneuerung gab. Ein Beispiel dafür ist die umfassende Sanierung der Brandenburger Straße (damals Klement-Gottwald-Straße) zwischen 1975 und 1978 im Zuge ihrer Umgestaltung zur Fußgängerzone. Die Potsdamer nannten sie scherzhaft „Broadway“. „Wir freuen uns, dieses bewegte Kapitel in der jüngeren Potsdamer Stadtgeschichte erstmals derart umfassend darstellen zu können. Hinsichtlich des regen Diskurses um das Stadtbild und das bauliche Erbe der Landeshauptstadt ist dieser Blick von außen bereichernd und zugleich ein Beitrag zur Diskussion“, so Dr. Jutta Götzmann, Direktorin Potsdam Museum. Ein Begleitprogramm ergänzt die Ausstellung.