Was Restaurierung ausmacht: Diplomrestaurator Oliver Max Wenske erklärt den beklagenswerten Zustand des Gemäldes und gibt Einblicke in die restauratorischen Vorgänge, die ansonsten im Verborgenen ablaufen. Foto: Elke Lange
Spurensuche auf einer Potsdam-Vedute von Karl Ferdinand Adolf Kießling von 1862
„Die Deformationen wurden planiert und die Risse geschlossen. Zur Rückgewinnung der feinsinnigen und stimmungsvollen Malerei waren restauratorische Maßnahmen zur Freilegung der originalen Malschicht und Retusche verlorener Bereiche notwendig. Der in seiner Fassung gereinigte Schmuckrahmen wurde in den Verlusten ergänzt“, beschreibt Oliver Max Wenske, Museumskonservator im Potsdam Museum, Am Alten Markt 9, die Behebung eines komplexen Schadensbildes.
Das Gemälde war auf Grund der Deformationen, Verschmutzungen und Übermalungen nur noch bedingt erlebbar. Einzig seine vom Künstler rückseitig aufgetragene Beschriftung ließ Bedeutendes erwarten. Der Förderverein des Potsdam-Museums e.V. finanzierte die aufwendige Restaurierung des wertvollen historischen Gemäldes mit der Beteiligung von 25 Spendern. Die Kosten lagen „im mittleren vierstelligen Bereich“, so Hannes Wittenberg, kommissarischer Direktor des Potsdam Museums. „Wir sind dem Förderverein außerordentlich dankbar, mit seiner Unterstützung diese für den Sammlungsbestand des Potsdam Museums und darüber hinaus bedeutende Potsdam-Vedute vor dem Verfall retten zu können. Jetzt zeigen wir das Bild für einen längeren Zeitraum in der Ständigen Ausstellung als Intervention zum Thema ,Fokus Sammlung‘ im Kontext seiner Restaurierung“, fügte Hannes Wittenberg hinzu.
Im Jahr 2021 erhielt das Potsdam Museum das Gemälde „Blick auf das Neue Palais in Sanssouci über Eiche vom Ehrenpfortenberg“ (1862, Öl auf Leinwand) von Karl Ferdinand Adolf Kießling als Schenkung aus einem Berliner Privatbesitz. Der Bildträger weist zwei große Risssysteme auf, die rückseitig notdürftig mit Isolierband gesichert waren.
Karl Ferdinand Adolf Kießling, geboren 1810 in Brandenburg an der Havel, studierte ab 1833 an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Johann Wilhelm Schirmer und zog 1838 nach Studienende nach Potsdam. Er stellte im hiesigen Kunstverein aus und beteiligte sich an akademischen Jahresausstellungen in Berlin, wohin er 1871 übersiedelte. 1882 starb er in Siethen bei Teltow. Der Künstler war bisher nicht vertreten in der Sammlung des Potsdam Museums.
Seine kleinformatige Potsdam-Vedute ist ein qualitätsvolles Beispiel spätbiedermeierlicher Landschaftsmalerei, für die der Künstler in seiner Zeit sowohl am Preußischen Königshaus als auch in seiner Wahlheimat Potsdam sein Publikum gewann. Bemerkenswert ist die Einbettung einer in der Natur ausgeführten Landschaftsschilderung mit dem Blick auf die Stadtsilhouette Potsdams in eine idealtypische Staffagekomposition aus rahmenden Bäumen und die Szenerie belebenden Figuren.
Zum Gemälde
Das Gemälde zeigt den selten dargestellten Blick vom Ehrenpfortenberg auf die Kirche in Eiche und das Neue Palais mit den Communs am westlichen Rand von Sanssouci. Die ferne Sicht auf die markante Stadtsilhouette wird links von der Historischen Mühle und rechts vom Brauhausberg begrenzt.
Der heute im militärischen Sperrgebiet liegende Ehrenpfortenberg stellte seit dem 17. Jahrhundert landschaftsgestalterisch einen bedeutenden Bezugspunkt für die Stadt Potsdam dar. Seinen Namen erhielt er durch das Aufsetzen hölzerner Ehrenpforten als Blickfang. Er war mit dem kurfürstlichen Stadtschloss durch eine schnurgerade Eichenallee verbunden.
Schadensbild vor der Restaurierung
In der Malschicht befinden sich vor allem an den Rissrändern zahlreiche kleine Verluste, die partiell mit kompakter Ölfarbe übermalt waren. Der ungleichmäßig aufgetragene Firnis war stark vergilbt. Alte Retuschen waren farbwertverändert und ließen das ursprünglich nuancenreiche, schönfarbige Gemälde fleckig erscheinen. Die minutiöse Feinteiligkeit der Malerei war nicht mehr erlebbar und lediglich in Details noch zu ahnen.
Der vorhandene Schmuckrahmen ist original zum Gemälde zugehörig. Die stuckierte Ornamentik mit seinen über Eck gearbeiteten Kartuschen ist in verschiedenen Techniken vergoldet. Im Besatz liegen zahlreiche Verluste vor.
„Als Förderverein des Potsdam Museums e.V. ist es eines unserer Anliegen, den Erhalt von Sammlungsstücken zu unterstützen. Die nun restaurierte Potsdam-Vedute fügt sich wunderbar in die im Bestand befindliche Folge von Ansichten der Stadt über Jahrhunderte ein“, so Markus Wicke, Vorstandsvorsitzender des Fördervereins.
Das Gemälde wurde vom Diplomrestaurator Oliver Max Wenske und der originale Schmuckrahmen von der Diplomrestauratorin Grit Jehmlich restauriert. „Für einen Restaurator sind diese historisch anspruchsvollen Objekte natürlich äußerst dankbar, da sie ihm eine intensive Zeit der Zwiesprache mit dem Künstler und den Blick in eine vergangene Zeit gewähren“, erklärt Oliver Max Wenske zum langwierigen Arbeitsprozess, bei dem auch seine Gedanken „spazieren“ gingen. Er ist fasziniert von den feinen Farbnuancen, die aus seiner Sicht so überzeugend sind, dass man auch 160 Jahre später einen authentischen Eindruck des langen vergangenen Augenblicks spüre.
Das Potsdam Museum präsentiert in der stadtgeschichtlichen Ausstellung anhand der Verdute von Kießling erstmalig beispielhaft den Prozess einer Restaurierung und die währenddessen erlangten Erkenntnisse zum Werk. Diese von Oliver Max Wenske gestaltete Intervention eröffnet den Besuchern einen Einblick in einen Aspekt der musealen Sammlungsarbeit.