Werders Ortschronist, Baldur Martin, hat den 4. Band von "Werder Heute" verfasst. Darin zeigt er die Veränderungen in der Blütenstadt seit dem 2013 erschienenen 3. Teil der Zeitdokumenten-Reihe.
Baldur Martin hat es doch noch einmal getan: einen weiteren Band "Werder Heute" veröffentlicht. "Eigentlich wollte ich das vom Alter her nicht mehr machen", sagt der inzwischen 83-Jährige. Seit 1992 der 1. Band erschienen ist, hat er alle zehn Jahre einen weiteren folgen lassen. Die ersten beiden Hefte sind noch von der Stadtverwaltung finanziert worden, danach fand der Autor genügend Sponsoren, um unabhängig und glaubwürdig die Entwicklung Werders während jeweils einer Dekade zu zeigen.
Dafür ist er nochmals ein Jahr lang mit dem Fotoapparat den großen Straßenzügen gefolgt und hat am Stehpult seine Gedanken dazu mit dem Stift notiert. Seine Frau Hella Martin hat das in den Computer übertragen und einer ihrer Enkel auch einige Drohnen-Fotos beigesteuert. Es sei nicht nur der Wunsch der Werderaner, dass er sich nochmals für das Buch auf den Weg macht. Sondern ihn habe auch bewegt, dass Aktivisten seine Stadt wegen des damaligen Firmensitzes eines rechten Magazins als "fremdenfeindlich" ins Gerede brachten: "Immer wenn ich mich geärgert habe, dann ging es los", spricht er über seine Motivation.
Herausgekommen ist wieder ein positiver Blick auf seine Heimat. In die Havelstadt kam der Gartenbauingenieur 1962 aus dem Erzgebirge. "Ich wurde gut aufgenommen, trotz dem man hier meine Erzgebirgisch nicht verstand", erinnert er sich an seine eigene Erfahrung als Fremder. Um 1962 an der damaligen Gartenbauschule unterrichten zu dürfen, musste er ein Lehrer-Fernstudium draufsatteln. Für seine Diplomarbeit im Fach Geografie kam er erstmals mit der Stadtgeschichte in Berührung, als er über die Siedlungsentwicklung Werders im Grundbuchamt forschte.
Inzwischen hat er mehrere historische Werke verfasst, betreute lange Jahre die "Heimatgeschichtlichen Beiträge" und war zur 700-Jahr-Feier 2017 einer der beiden Herausgeber der siebenbändigen Stadtchronik. Für sein Wirken auch als Stadtverordneter (Freie Bürger) wurde er 2021 zum Ehrenbürger ernannt.
"Er ist der Chefhistoriker der Stadt", lobt ihn Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU), als ihr der Autor seinen aktuellen 4. Band überreichte. "Das sind schöne Zeitdokumente", findet die Rathauschefin, "wenn man alle Bücher zusammenlegt, dann weiß man, was in Werder los war und ist." Es sei diesmal mehr geworden, als er gedacht habe, zieht Baldur Martin ein Rèsumé: "Jeder ist hier willkommen, das wollte ich nachweisen."
Dafür beginnt er an der heutigen Bundesstraße 1. Die West-Ost-Verbindung verläuft seit Jahrhunderten durch den Ort. Reisende brachten seitdem Neuigkeiten, Erfahrungen, aber auch Kaufkraft herein. "Werderaner haben bis heute ihre Verkaufsstände in Berlin. Sie haben gelernt, mit den Leuten dort umzugehen und ihnen zuzuhören. Ihnen war wichtig, zu verkaufen", unterstreicht Martin im Gespräch.
Im Buch portraitiert er etwa das "St. Margarethen Klassikensemble", in dem Musiker aus acht Ländern zusammen spielen. Bei den Bildern von Geschäftsinhabern finden sich auch Gesichter aus Vietnam, oder Flüchtlinge im ehemaligen Internat des Oberstufenzentrums, beim ehrenamtlichen Sprachunterricht oder zu öffentlichen Festen.
Neben vielen weiteren Aktiven und Gewerbetreibenden setzt der Autor auch Herrn Bacher ein Denkmal auf Seite 57. Er trug 33 Jahre lang trotz seiner Gehbehinderung immer mittwochs Zeitungen aus.