Das Handwerk Westbrandenburgs im zweiten Coronajahr
„Die Corona-Krise hinterließ bei vielen Handwerksbetrieben in Westbrandenburg Spuren“, so Robert Wüst, Präsident der Handwerkskammer Potsdam, bei der Vorstellung der Herbst-Konjunkturzahlen des westbrandenburgischen Handwerks. „Die aktuellen Preissteigerungen und Lieferengpässe sowie der Fachkräftemangel sorgen in unseren Betrieben für Unsicherheiten. Dennoch überwiegt erstmals beim Blick in die Zukunft wieder der Optimismus.“
In der Einschätzung ihrer aktuellen Geschäftslage über alle Branchen hinweg äußerten sich die Betriebe zufrieden. Auch der Blick in die Zukunft stimmt positiv. Der Geschäftsklimaindex (GKI), der neben den Einschätzungen der aktuellen Geschäftslage auch die Erwartungen an die Zukunft beinhaltet, legt mit 129 gegenüber dem Vorjahr um 11 Punkte zu. Zwar erreicht er noch nicht wieder das Vorkrisenniveau des Jahres 2019 (131 Punkte), aber die Folgen der Umsatzeinbrüche durch Pandemie und Lockdowns scheinen teilweise durch Corona-Hilfsprogramme abgefedert worden zu sein. Ihre Geschäftslage schätzten in der aktuellen Auswertung 91,6 Prozent der Betriebe mit gut und befriedigend ein (Vorjahr 87,5 Prozent). Die stärkste Verbesserung bei der Bewertung meldeten das Kraftfahrzeuggewerbe und das Nahrungsmittelgewerbe.
Auftragsentwicklung
Grundsätzlich positiv sehen alle Gewerke ihre betriebliche Auslastung mit 90 Prozent - beim Bauhaupt- und Ausbaugewerbe liegt diese sogar darüber. Diese stieg damit gegenüber dem Vorjahr um vier Prozentpunkte. Damit ist klar: Die Kunden brauchen bei der Auftragsabarbeitung noch einmal mehr Geduld: Rund 10,6 Wochen müssen sie durchschnittlich warten (Vorjahr 10,2 Wochen). Lediglich die personenbezogenen Dienstleistungen vermelden eine nur 74-prozentige
Auslastung ihrer Betriebe
Wie wichtig den Unternehmern ihre Mitarbeitenden sind, zeigen die Umfrageergebnisse erneut: 74 Prozent der Betriebe hielten auch im zweiten Coronajahr an ihren Fachkräften fest (Vorjahr 72 Prozent). Weitere 14 Prozent (Vorjahr 12 Prozent) stellten zusätzliches Personal ein. Besonders die Gesundheitshandwerke (Saldo plus 18 Prozent) und die Handwerke des gewerblichen Bedarfs (Saldo plus 8 Prozent) erweiterten die Beschäftigung in ihren Betrieben. Nur im Bauhauptgewerbe (Saldo minus 10 Prozent) und bei den personenbezogenen Dienstleistungen (Saldo minus zwei Prozent) verlief die Beschäftigtenentwicklung negativ. Deutliche Verwerfungen vermeldeten die Betriebe bei der Entwicklung der Einkaufs- und Verkaufspreise. 76 Prozent der Betriebe berichten von gestiegenen Einkaufspreisen, ein Höchststand im Vergleich zu den vergangenen sechs Jahren. Die Preissteigerungen ziehen sich gleichermaßen durch alle Gewerke. Dennoch haben nur 48 Prozent der Unternehmen diese an die Kunden weitergeben können. Einzig das Ausbaugewerbe legte mit 67 Prozent und damit deutlichem Vorsprung gegenüber anderen Gewerken die steigenden Einkaufskosten weitgehend auf Kunden um. Nahrungsmittel-, Gesundheitshandwerke und die personenbezogenen Dienstleistungen hingegen hielten die Verkaufspreise überwiegend konstant.
Die Investitionsneigung der Betriebe verbesserte sich seit Herbst 2020 leicht, bewegt sich allerdings weiter auf niedrigem Niveau. Aktuell berichten zwar 20 Prozent der befragten Betriebe von höheren Investitionen, allerdings haben auch 26 Prozent der Betriebe Investitionsausgaben gesenkt. Angesichts der starken pandemiebedingten Einschränkungen in den letzten 18 Monaten sind insbesondere die personenbezogenen Dienstleistungsbetriebe sehr zurückhaltend mit Investitionen.
Aussichten und Erwartungen
Mit Blick auf das Pandemiegeschehen gehen 16 Prozent der Befragten von einer guten oder besseren Geschäftslage aus, 74 Prozent prognostizieren eine gleichbleibende Lage. Von steigenden beziehungsweise gleichbleibenden Umsätzen gehen 88 Prozent der Befragten aus. Wesentliche Faktoren, die für große Unsicherheit sorgen, sind neben den steigenden Rohstoffpreisen auch die sich entwickelnden Energie- und Benzinpreise. So betrachten die Handwerker den Anstieg der Einkaufspreise insgesamt mit weiterer Sorge. Beinahe jeder Handwerksbetrieb (82 Prozent) geht davon aus, dass sich die Preisspirale weiterdreht. Demgegenüber wollen oder können aber nur 62 Prozent der Betriebe ihre Verkaufspreise weiter anheben.
Große Hoffnungen setzen die Betriebe auch in die anstehenden Koalitionsverhandlungen: „Ein bedachter Umgang bei der Umsetzung der Maßnahmen der Energiewende – handwerksgerecht und ohne weitere, auch steuerliche, Belastungen für unsere Betriebe und deren Mitarbeitende, muss das Gebot der Stunde in der Diskussion der künftigen Koalitionspartner sein,“ fordert Handwerkskammerpräsident Wüst. „Die mit der Energiewende verbundene Bau- und Sanierungstätigkeit kann nur gelingen, wenn man das Handwerk einbezieht. Das Handwerk setzt die Energiewende maßgeblich um. Dazu muss die Politik Planungs- und Genehmigungsprozesse beschleunigen, Bürokratie für unsere Betriebe abbauen und die Aus- und Weiterbildung unserer Fachkräfte unterstützen.“