Die gebürtige Ukrainerin Inna Strütt organisiert eine der größten Spendensammlungen in Potsdam
Krieg entfesselt die dunkelsten, ebenso wie die hellsten Seiten der menschlichen Seele. Während der Einmarsch von russischen Truppen in die Ukraine ein Zeichen der Spaltung war, brachte diese politische Zäsur auch viele Menschen überall auf der Welt enger zusammen. Menschen, die gemeinsam auf die Straßen gehen und die mit Hilfsangeboten und Sachspenden die Betroffenen in der Ukraine in diesen schweren Zeiten unterstützen wollen.
Eine dieser engagierten Menschen ist Inna Strütt aus Potsdam. Zusammen mit Freunden und Bekannten stellte sie innerhalb nur eines Tages nach Kriegsbeginn eine Spendensammlung auf die Beine. „In meinem Bekanntenkreis sind einige LKW-Fahrer, die sich zur Zeit in der Region befinden. Sie wären diese Woche wieder mit den leeren Lastwagen Richtung Ukraine gefahren. Da dachte ich mir, dass muss ja nicht sein. Das können wir doch nutzen“, so Strütt. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht, dass im Potsdamer Stadtteil Drewitz, am Silbergraben 21/22, Spenden für die Ukraine gesammelt werden. Auf einer Freifläche wurden Planen ausgebreitet, auf denen die Spenden gesammelt, sortiert und verpackt werden konnten. Doch mit dieser Spendenflut hätte Inna Strütt nicht gerechnet. Irgendwann stand sie ratlos vor einem Riesenberg und musste sich erst einmal hinsetzen, erinnert sich Strütt. Am Vormittag des 1. März sind von dem Berg nur noch die letzten Reste zu erahnen. Drei LKWs sind zu diesem Zeitpunkt bereits vollgeladen und auf dem Weg nach Uschgorod, Inna Strütts Heimatstadt an der Grenze von der Ukraine zur Slowakei. Viele Menschen, die vor dem Krieggeschehen flüchten, kommen durch die Hauptstadt der Oblast Transkarpatien. Hier seien die Sachspenden besonders dringend benötigt. Zwei weitere Lastwagen wurden am Dienstag von den fleißigen Helfern gepackt und immer noch kommen minütlich Autos aus Potsdam, Berlin und Umgebung an und es werden Lebensmittel, Hygieneartikel, Kleidung und vieles mehr ausgeladen. Eine der Spender ist die Potsdamerin Katrin Berger, die von der Aktion von einer befreundeten Ukrainerin erfahren hat. Bereits gestern war sie vor Ort, um zu helfen und Sachen abzugeben. Am Dienstag nutzte sie ihre Mittagspause, um ein weiteres Paket mit Konserven, Winterjacken, Damenhygieneartikeln, Seife und Schuhe abzugeben. Für sie eine Selbstverständlichkeit: „Eine so große Empathie haben ich in meinen 50 Lebensjahren noch nicht erlebt. Es ist toll, was Menschen möglich machen. Leider ist es lange nicht genug.“ Ronald Knopke, der Geschäftsführer eines ansässigen Abschleppdienstes in Drewitz, hat Inna Strütt und ihren Mitstreitern die Benutzung seines Geländes gestattet, um die Spenden zwischenzulagern. Seit dem 3. März stellt er mehrere LKWs zur Verfügung, die zwischen Potsdam und Uschgorod pendeln, um weitere Spenden in die Ukraine bringen.
Auch Oberbürgermeister Mike Schubert nutzte am Dienstag die Möglichkeit, sich vor Ort ein Bild von den Hilfsangeboten zu machen und der Initiatorin und allen Helfern seinen Dank und seine Bewunderung auszusprechen: „Ich bedanke mich bei allen Helfern, die teilweie seit Tagen fast rund um die Uhr arbeiten und natürlich auch bei allen Bürgern, die so fleißig spenden. Ich bin sehr beeindruckt vom Engagement vieler Menschen und zu sehen, was in so kurzer Zeit alles möglich ist.“ Ebenso sei es wichtig, dass jedem Geflüchteten der in Potsdam ankommt ein Dach über dem Kopf und ein Bett zur Verfügung stehe. Ein neu gegründeter Verwaltungsstab treffe sich regelmäßig, um die erforderlichen Maßnahmen abzustimmen. Um konkrete Angebote koordinieren zu können oder bei Bedarf Menschen aus der Ukraine unterzubringen, hat die Verwaltung die E-Mail-Adresse Ukraine-helfen@rathaus.potsdam.de eingerichtet.
Im Gespräch mit Inna Strütt erfuhr Mike Schubert auch, welche Spenden in den Kriegsgebieten besonders benötigt werden. „Kleidung haben wir jetzt eigentlich genug“, erklärt die gebürtige Ukrainerin. „Was dringend gebraucht wird, sind Hygieneartikel, Medikamenten sowie Verbandszeug, Thermoskannen, Lebensmittelkonserven, Babynahrung, Milchpulver und Windeln.“ Nach vier Tagen, an denen sie nun schon auf den Beinen ist, um der Spendenflut Herr zu werden, mischt sich ihre Erschöpfung mit unendlicher Dankbarkeit: „Die Resonanz ist enorm. Das hätte ich niemals gedacht. Hier sind so viele Leute die selbstlos mit anpacken. Ich bin wirklich unendlich stolz, solche Freunde zu haben.“