Zur Eröffnung des neuen Europäischen Zentrums Jüdischer Gelehrsamkeit an der Universität Potsdam konnte dessen Leiter und Rabbiner-Professor Walter Homolka (Mitte) Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kulturministerin Manja Schüle gemeinsam mit Uni-Präsident Oliver Günther begrüßen. Foto: Tobias Hopfgarten
Klein, aber fein: An der Universität haben Jüdinnen und Juden nun das erste Gotteshaus seit der Zerstörung der Alten Synagoge in der Pogromnacht 1938. Sie wurde gemeinsam mit dem einzigartigen Europäischen Zentrum Jüdischer Gelehrsamkeit am Mittwoch auf dem Gelände der Universität Potsdam am Neuen Palais eröffnet.
Der Synagogenbau ist in Potsdam bekanntlich eine schwierige Angelegenheit, Differenzen zwischen den unterschiedlichen jüdischen Gemeinden sind kaum zu beheben.Umso fortschrittlicher erscheint die Eröffnung des neuen Europäischen Zentrums Jüdischer Gelehrsamkeit (EZJG) der Universität Potsdam am Neuen Palais. Hier hat das Institut für Jüdische Theologie der Universität Potsdam mit den beiden Rabbinerseminaren Abraham Geiger Kolleg und Zacharias Frankel College ein neues Domizil auf dem Campus am Neuen Palais erhalten.
Durch den Umbau der einstigen Orangerie und des historischen Nordtorgebäudes ist jedoch nicht nur ein hochmodernes Lehr- und Studiengebäude entstanden. Am Mittwoch konnte auch Potsdams erste Synagoge seit dem Zweiten Weltkrieg und der Shoah endlich eingeweiht werden. Sie ist zwar nur ein kleiner Raum, biete aber ausreichend Platz für alle Interessierten, hieß es bei einer Besichtigung nach der offiziellen Einbringung der Torarollen. Wie wichtig das neue Zentrum nicht nur für Potsdam, sondern weit darüber hinaus ist, zeigte die Anwesenheit der Ehrengäste. Für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war es bei weitem nicht der erste Besuch einer Synagoge, aber vielleicht einer der bedeutendsten: Denn im Abraham Geiger Kolleg werden Rabbiner und Kantoren ausgebildet, hier studieren zurzeit 80 junge Menschen die jüdische Religionslehre, mehr als ein Drittel von ihnen hat das Rabbinat oder das Kantorat als Berufsziel vor Augen. Sie bereiten sich auf einen Einsatz in den unterschiedlichsten Ländern vor, darunter beispielsweise Südafrika oder Länder in Südamerika und selbst Israel.
Das Europäische Zentrum für Jüdische Gelehrsamkeit ist ein Kolleg für eine international gemischte Studierendenschaft. Es sei ein Studienort für Interessierte aus allen Teilen der Welt, betonte der Rabbiner-Professor und Leiter des Zentrums, Walter Homolka, bei dessen Eröffnung am Mittwoch.Selbst zwei Studierende aus Israel seien zurzeit eingeschrieben, hieß es bei der Besichtigung des frisch sanierten Nordtorgebäudes, in dem das EZJG untergebracht ist.
Jüdische Theologie kann man in Potsdam schon seit 1999 studieren. Das Besondere an dem neuen Institut ist, dass es zwei Ausbildungsstätten für Rabbiner zusammenführt. Das Abraham Geiger Kolleg an der Uni Potsdam wurde fast auf den Tag genau vor 22 Jahren gegründet. Es gilt als Ausbildungsstätte und Studienort für liberale Rabbiner und Rabbinerinnen. Der Namensgeber war einer der Vordenker der jüdischen Reformbewegung. Durch sie ist das liberale Judentum zur stärksten jüdischen Bewegung weltweit geworden. Die Gründung des Kollegs war 1999 ebenso eine Premiere in Deutschland, wie es heute das EZJG ist - die erste und bislang einzige liberale Ausbildungsstätte für Rabbiner in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Ausbildung steht in der Tradition der von Geiger mitbegründeten und 1942 von den Nazionalsozialisten geschlossenen Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin. Unterrichtet wird auf Deutsch und auf Englisch, was den Studiengang für internationale Studien-Interessierte attraktiver macht. Im Bachelor-Studium gehen alle Studierenden für zehn Monate nach Israel und vertiefen dort die Studien historischer Schriften und ihre praktischen Hebräischkenntnisse. In der Regel dauert das Studium fünf Jahre und wird durch Praktika in jüdischen Gemeinden in Deutschland ergänzt. Der Abschluss ist weltweit anerkannt und eröffnet allen Absolventen Chancen, in unterschiedlichen Ländern oder in ihrer Heimat zu arbeiten.
Die liberale Ausrichtung des Abraham Geiger Kollegs deckt jedoch nicht alle Strömunegen des heutigen Judentums ab. Eine konservativere Ausrichtung hat das zweite Institut des EZJG, das Zacharias Frankel College. Es ist nach dem Gründungsdirektor des jüdisch-theologischen Seminars in Breslau benannt, das bereits 1938 ebenfalls geschlossen wurde, und will einen Mittelweg zwischen strenger Orthodoxie und Reformbewegung darstellen.
Doch auch das gefällt in Potsdam nicht allen jüdischen Gemeinden. Die ganz streng Konservativen lehnen beispielsweise die Finanzierung durch das Land ab und sehen in ihr Gleichmacherei. Gleiches gilt auch für den Bau der in Potsdams Mitte geplanten Synagoge, um die bereits seit mehr als 15 Jahren gestritten wird. Kulturministerin Manja Schüle ist dennoch fest entschlossen, diesem Streit gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, bereits im November ein Ende zu setzen. Dann nämlich soll endlich der Grundstein auf dem Grundstück an der Schloßstraße gelegt werden.