Die so genannten Städte der zweiten Reihe werden für die Metropolregion Berlin-Brandenburg immer attraktiver. Eine besondere Rolle spielt Cottbus, denn hier wird sich in den kommenden Jahren der Strukturwandel in der Lausitz vollziehen. Das zieht einen großen Bedarf an Wohnraum für Fachkräfte nach sich. Foto: Sabine Gottschalk
Die Metropolregion entwächst ihren Kinderschuhen. Immer mehr Menschen verlassen Berlin und das direkte Umland, um Wohnraum dort zu suchen, wo er noch bezahlbar ist. Eine besondere Rolle kommt dabei den Städten der "zweiten Reihe" zu.
Die sogenannten "Städte in der zweiten Reihe" bekommen in der wachsenden Metropolregion Berlin/Brandenburg besondere Bedeutung. Denn häufig sind sie es, die noch bezahlbare Wohnungen anbieten können und durch eine gute Anbindung punkten, die ein Pendeln erleichtert. Corona hat aber auch gezeigt, dass das Arbeiten aus dem Homeoffice in vielen Branchen heute durchaus eine Option darstellt.
Umso mehr bietet sich also ein Umzug in eine der sieben Städte des "Städtekranzes", Brandenburg an der Havel, Cottbus, Eberswalde, Frankfurt (Oder), Jüterbog, Luckenwalde oder Neuruppin an. Diese Städte haben über viele Jahre Einwohner verloren, häufig müssen noch immer leerstehende Plattenbauten aus DDR-Zeiten abgerissen werden. Gleichzeitig erfreuen sie sich großen Zulaufs durch großstadtmüde Berliner, die im direkten Umland keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden. Diese Diskrepanz führt auch bei der Bevölkerung der weiter entfernten Städte zu Angst vor steigenden Mieten.
Zudem müssen die Kommunen für ausreichende Infrastruktur vor Ort sorgen, während die Verkehrsverbindungen von und nach Berlin, wie beispielsweise der zweigleisige Ausbau zwischen Lübben und Cottbus, Landes- oder Bundesaufgabe ist. Dennoch plant beispielsweise Cottbus den Bau von 1.500 neuen Wohnungen innerhalb von fünf Jahren. Die Nachfrage sei groß und man wolle junge Familien in der Region halten, betonte der Cottbusser Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU), gerade frisch gewählter Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Städte der zweiten Reihe am Mittwoch nach einem digitalen Meeting der Mitglieder mit Infrastrukturminister Guido Beermann (ebenfalls CDU).
i2030 als Lösung für Wohnungsknappheit und Pendler
Mithilfe des länderübergreifenden Verkehrsprojekts i2030 sollen auf acht Korridoren entsprechend dem Berliner Siedlungsstern die Verbindungen von Berlin in die regionalen Oberzentren in den kommenden Jahren deutlich verbessert werden. Dazu ist ein massiver Schienenausbau nötig, deshalb arbeiten hier nicht nur die Länder zusammen, sondern auch die Deutsche Bahn und der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB). Als erstes Projekt wurde die so genannte Heidekrautbahn im Norden Berlins in Angriff genommen. Sie wurde bereits 1901 gebaut und soll die Schorfheide wieder mit Berlin-Gesundbrunnen verbinden. Ebenfalls nach Gesundbrunnen soll der Prignitz-Express auf direkter Strecke von Neuruppin aus fahren. Für den Südosten muss die Strecke von Königs Wusterhausen nach Cottbus durchgängig zweispurig ausgebaut werden - eine Grundvoraussetzung für den Strukturwandel in der Lausitz.
Ebenfalls Richtung Süden führt vom Bahnhof Berlin-Südkreuz über Rangsdorf die Dresdner Bahn mit ihrem Abzweig zum BER - und den bekannten Schwierigkeiten beim Ausbau. Weitere geplante Ausbaustrecken sind Nauen-Spandau und die Stammbahn als zusätzliche Verbindung zwischen Potsdam und dem Potsdamer Platz in Berlin. Zudem ist ein Ausbau des Berliner S-Bahnnetzes und der Ost-West-Verbindung zwischen Eisenhüttenstadt und Brandenburg an der Havel geplant. Alle diese Maßnahmen rücken die Städte der zweiten Reihe näher an die Bundeshauptstadt. Dafür standen im vergangenen Jahr erstmals 74 Millionen Euro zur Verfügung, erläuterte Infrastrukturminister Beermann. Vertiefende Planungen und Finanzierungsvereinbarungen stehen in diesem Jahr an. Weitere 30 Millionen Euro gibt es außerdem für den Ausbau der Radwegeinfrastruktur im ländlichen Raum.
Für die Kommunen bedeutet das jedoch auch die Verpflichtung, neues Wohnbauland auszuweisen - kein einfaches Unterfangen, denn der Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg hat dafür sehr präzise Vorgaben und schränkt die Vorhaben in vielen Fällen stark ein. Erstaunlich gut steht dabei die Kreisstadt von Teltow-Fläming, Luckenwalde, da. Wie ihre Bürgermeisterin Elisabeth Herzog-von der Heide (SPD) betonte, gibt es dort bei nur 40-minütiger Fahrzeit bis ins Zentrum der Bundeshauptstadt ausreichend Raum, um Flächen für geförderten Wohnungsbau, unter anderem auf alten Industriebrachen, zu entwickeln. Allein 140 neue Wohnungen seien zudem erst kürzlich durch Instandsetzung entstanden und innerstädtisch könnten noch einige Lücken geschlossen werden - alles zu bezahlbaren Preisen. Klingt paradiesisch!