Potsdam soll Vorreiter für das Bauen mit Holz werden
Der Klimawandel beschert nicht nur extremer werdende Wetterlagen. Er hat nebenbei auch für Wörter wie „Flugscham“ gesorgt. Doch von Betonscham hört man bisher nichts, sagt der weltweit anerkannte Klimaforscher, Prof. Hans-Joachim Schellnhuber, Mitbegründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Dabei mache der Flugverkehr nur zwei Prozent der Emissionen aus, der Gebäudesektor aber sei für 38 Prozent des ausgestoßenen Kohlendioxids verantwortlich. Wäre die Betonindustrie ein Land, würde sie an weltweit vierter Stelle rangieren, was den CO2-Ausstoß angeht. Doch darin sieht er auch eine Chance. Wird Beton durch Holz ersetzt, würde nicht nur auf den weiteren Ausstoß von Kohlenstoffdioxid verzichtet. Da Holz eine natürliche Senke für CO2 ist, könne mit nachhaltigem Anbau und durch die Verwendung als Baustoff das Treibhausgas aus der Atmosphäre herausgeholt werden – und das in Größenordnungen, die einen Weg aus der Klimakrise heraus bieten. „Saving the world in style“ nennt er das halb scherzhaft beim Vortrag in der Biosphäre, in der das Memorandum zur Holzbau-Initiative Potsdam vorgestellt wurde. Dass dadurch nicht weniger als eine neue Epoche des Bauens eingeleitet werden soll, ist aber alles andere als ein Witz. In den 30 Jahren, die sich Schellnhuber mit dem Klimawandel und dessen Auswirkungen beschäftigt hat, habe er keine andere Lösung gefunden, die so vielsprechend sei. Denn sie ist skalierbar, kann also sowohl für Einzelprojekte als auch im globalen Rahmen angewandt werden. Andere Ideen, dem Klimawandel zu begegnen, würden nur dann funktionieren, wenn sie auf der gesamten Welt umgesetzt würden.
Eines der häufig hervorgebrachten Argumente gegen das Bauen mit Holz lässt sich laut Schellnhuber leicht entkräften: dass Bäume in Zeiten des Klimawandels nicht mehr abgesägt werden dürften. Der komplette Rückzug sei nicht die Antwort, erklärt der Klimaforscher. In den Tropen sei die Baumsterblichkeit schließlich auch dort schon stark gestiegen, wo Bäume gar nicht gefällt werden. Bei einer nachhaltigen Bewirtschaftung eines Waldes hingegen könne man aus ihm regelmäßig Biomasse entnehmen wie aus einem Bienenstock, ohne den Wald zu schädigen. Das geht im Vergleich dazu bei Beton nicht. Denn mittlerweile ist selbst der dafür benötigte Bausand so selten, dass sich dort ein Schwarzmarkt gebildet hat, berichtet Schellnhuber. Und natürlich setzt die Herstellung von Beton sehr viel Co2 frei.
Bisher gibt es beim Bauen mit Holz noch große Hürden zu überwinden. Um diese zu überwinden, wurden alle Beteiligten im August beim Holzbaulabor an einen Tisch geholt: Vertreter aus der Politik, der Produktion, von den Bauherren, Planern, Bautechnikern und der Verwaltung. Gemeinsam haben sie zusammengetragen, was passieren muss, um die Hürden abzubauen. Herausgekommen ist mit den acht großen Eckpunkten des Memorandums zum Holzbau ein „ambitionierter Auftrag“, wie Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) sagt. Denn die Stadt soll Vorreiter der neuen Baubewegung werden. Dafür soll eine Taskforce Holzbau mit einem Holzbaukoordinator gebildet werden, die bei der Stadt angesiedelt und als Schnittstelle zwischen Projektakteuren, Politik und Verwaltung dienen soll. Die Stadt soll weiterhin den Wissenstransfer zum nachhaltigen Bauen fördern, einen Planungsrahmen definieren, aktiv an genehmigungsfähigen Holzbaulösungen mitwirken, eine spezifische Vergabestrategie fördern und bei eigenen Vorhaben mit gutem Beispiel vorangehen. Der Umbau im Schlaatz und der Stadtteil Krampnitz sollen zudem zu Reallaboren werden, in denen der Holzbau konkret umgesetzt wird. Außerdem soll Potsdam auf Gesetzgeber auf Landes und Bundesebene einwirken, die bestehenden Gesetze, Verordnungen und Normen so anzupassen, dass das Bauen mit Holz einfacher wird.
Das Memorandum muss als nächster Schritt von den Stadtverordneten beschlossen werden. Schubert will es noch in diesem Jahr einbringen. Auch wenn man sofort damit beginnen möchte: „Wir werden verdammt viel Ausdauer brauchen“, weiß er. „Morgen wird nicht alles fertig sein.“ Aber dank des Memorandums starte man nicht bei Null.