Igel stehen in einigen Bundesländern schon auf der roten Liste.
Wenn es im Herbst im Laub raschelt, kann es gut sein, dass kurz darauf ein Igel zum Vorschein kommt, der die Umgebung auf der Suche nach Nahrung erkundet. Sowohl für den wenige Monate alten Nachwuchs als auch die Elterntiere geht es derzeit schon darum, sich Reserven für den Winterschlaf anzufressen. Doch obwohl die kleinen Säugetiere sehr wehrhaft aussehen, sind sie immer stärker bedroht, berichtet Hans-Jürgen Leßmann. Zusammen mit seiner Frau Martina pflegt und päppelt er – wie viele andere Ehrenamtler im Land Brandenburg – Igel auf. „In einigen Bundesländern stehen die Tiere schon auf der roten Liste“, erklärt Leßmann. Mähroboter und Rasentrimmer sorgen dafür, dass die Tiere immer mehr Gefahren ausgesetzt sind. „Igel sind keine Fluchttiere. Wenn sie sich bedroht fühlen, rollen sie sich zusammen“, beschreibt der Igelpäppler. Doch gegen die Gartenmaschinen nützt ihnen auch ihr Stachelkleid nichts. Das Ergebnis sind zum Teil tiefe Schnittverletzungen, skalpierte Tiere oder abgetrennte Gliedmaßen. Daher sollten Rasenmähroboter auch nicht in der Dunkelheit betrieben werden. Schließlich sind Igel nachtaktiv. Die Besitzer der Maschinen bekommen von den Auswirkungen meist gar nichts mit. „Die verletzten Tiere schleppen sich dann in ihr Nest“, berichtet Hans-Jürgen Leßmann von seinen Erfahrungen. Das Problem sind nicht nur die Igel mit schweren Verletzungen, sondern auch die zurückbleibenden Jungtiere, die plötzlich ganz auf sich allein gestellt sind. „Aktuell sind viele Igelstationen schon jetzt voll“, weiß Leßmann aus Gesprächen mit Gleichgesinnten.
Viele Menschen wissen einfach gar nicht um die Problematik, ist Leßmann überzeugt. Dabei lassen sich einige Gefahren für die Igel einfach vermeiden. „Manche Leute nehmen ihren Rasentrimmer auch, um unter einer dichten Hecke alles freizumachen.“ Besser wäre es, vorher nachzuschauen, um sicher zu gehen, dass sich dort kein Igel aufhält. Es sind kleine Dinge wie diese, mit denen sich ein sichereres Umfeld für die Tiere schaffen lässt. Leßmanns sind sogar deutlich weiter gegangen, seit sie vor drei Jahren damit begonnen haben, hilflose Igel für die Winterzeit aufzunehmen. Hans-Jürgen zeigt das Freigehege, das er im Garten gebaut hat. Zwei mal drei Meter groß ist es. Abends kommen regelmäßig mehrere Igel aus der Umgebung vorbei, zuweilen auch verletzte, berichtet er. Kleine Klappen, die sich in zwei Richtungen öffnen lassen, sorgen dafür, dass Ratten den Igeln nicht das Futter wegfressen. „Die mögen das nicht, wenn sie die Klappen mit der Schnauze aufstoßen müssen“, erklärt der Igelpäppler. Den Igeln hingegen mache das nichts aus. „Wichtig ist, dass Futterhäuser mehrere Eingänge haben“, erklärt er. Denn Igel sind Einzelgänger. Auf diese Weise gibt es keine Engpässe, an denen die Tiere aufeinandertreffen müssen.
Gärten Igelfreundlicher gestalten
PLatz für Freigehege hat natürlich nicht jeder. Doch es geht auch einfacher, wenn man etwas für Igel tun möchte. Totholzhecken beispielsweise sind sinnvoll, weil sie auch als Lebensraum für Insekten geeignet sind. Gärten für Igel passierbar zu halten, ist ein weiterer Punkt, sagt Leßmann. An Zäunen lässt sich zudem leicht eine weitere Hilfe für Igel schaffen: mit Regenrohren. Abwasserrohre mit zwölf Zentimetern Durchmesser helfen Igeln, gefahrlos aufs Grundstück zu gelangen. „Wenn man da noch zwei Bögen einbaut, kommen auch Waschbären nicht hindurch“, berichtet Hans-Jürgen Leßmann. Wer Igel gezielt füttern möchte, sollte darauf achten, dass das Futter wenigstens 60 Prozent Fleisch enthält und weder Gelee noch Soße, so Leßmann. Obst oder Getreide ist hingegen für die Tiere ungeeignet, auch wenn die Darstellung von Igeln und Äpfeln weit verbreitet ist. „Wenn ein Igel an einem Apfel knabbert, dann nur, weil eine Made drin ist“, stellt er klar.
Bei Leßmanns ist nicht nur der Garten fürs Überwintern der Igel umgebaut worden. Im Haus der beiden in Stahnsdorf dient der Spitzboden mittlerweile als Quartier für die wirklich pflegebedürftigen Fälle. Aktuell leben dort fünf Igel: drei davon noch ganz junge Tiere, deren Mutter getötet worden ist. Die Igel schlafen in „Igelgaragen“, die von Menschen genäht werden, die selbst keinen Platz zum Pflegen haben, aber trotzdem helfen wollen, berichtet Martina Leßmann. Die Pflegetiere werden, nachdem sie entdeckt wurden, erst einmal zum Tierarzt gebracht. Bei den Igelpäpplern werden sie anschließend mit Aufzuchtmilch gefüttert, werden medizinisch überwacht und täglich gewogen. In speziellen Protokollen wird dabei alles festgehalten: vom Namen des Finders und der Adresse bis hin zum täglichen Wiegeergebnis. So lässt sich leicht nachvollziehen, ob die Jungigel wirklich täglich die zehn Gramm an Gewicht zulegen, die für ein gesundes Tier zu erwarten sind. Dabei geht nicht jede Geschichte gut aus, wie Hans-Jürgen Leßmann aus eigener Erfahrung weiß. Denn Bilbo, ein Igel den sie im vorigen Jahr aufgenommen und über den Winter gebracht hatten, war bereits erfolgreich ausgewildert. Doch vor einigen Wochen fand er sich dann abends im Freigehege der Leßmanns ein. „Er war so schwer verletzt, dass er erlöst werden musste“, berichtet der Igelpäppler. „Und so etwas geht einem wirklich nahe.“
Die Pflege, Aufzucht und das anschließende Auswildern von Igeln ist aber nichts für Ungeübte. Und das Eingreifen des Menschen sollte immer die letzte Option bleiben. Denn nicht jedes Tier, das derzeit irgendwo unterwegs ist, braucht wirklich Hilfe. Wenn es aber verletzt ist, unterernährt oder am Tage unterwegs, kann das ein Anzeichen für einen Igel sein, der Hilfe braucht. Konkrete Tipps zum richtigen Verhalten gibt es auf www.pro-igel.de. Auf der Seite sind auch Pflegestellen für die jeweilige Region aufgelistet.
Rings um Potsdam empfiehlt sich im Notfall ein Anruf bei der Wildtierhilfe unter 0176 2279 2833 oder der Tierrettung unter 0151 7012 1202. Um auf die Gefahren für Igel aufmerksam zu machen, haben sich Leßmanns und rund 20 andere Ehrenamtler vor Kurzem zur Interessengemeinschaft zum Schutz der Igel in Teltow Kleinmachnow, Stahnsdorf und Umgebung zusammengeschlossen. Ein eigener Flyer, von dem 5000 Stück gedruckt wurden, wird in den nächsten Tagen und Wochen in der Region verteilt, um auf die Situation der Igel aufmerksam zu machen. So soll weiteres sinnloses Leid verhindert werden.