Die Bundestagswahl steht vor der Tür. Ein Thema beschäftigt die Menschen in der Region seit Jahren besonders: Das Wohnen wird immer teurer, Wohnraum ist nur schwer zu finden. Anlass für Blickpunkt-Redakteurin Sabine Gottschalk, SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und seiner Potsdamer Kontrahentin Annalena Baerbock von Bündnis‘90/Die Grünen jeweils vier Fragen zum Thema "Bezahlbares Wohnen" und zu den von ihnen angestrebten Lösungen zu stellen.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat mehrmals darauf hingewiesen, dass in Deutschland etwa 50 Prozent der Haushalte ihren Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein geltend machen könnten. Im Interview mit dem Blickpunkt schlägt Scholz eine bundesweite Lösung für bezahlbares Wohnen vor, die er sofort umsetzen möchte, falls er der nächste Bundeskanzler wird.
Herr Scholz, ist geförderter Wohnungsbau Ihres Erachtens die richtige Lösung gegen Spekulation und weiter steigende Mieten und brauchen wir mehr davon?
Zunächst einmal braucht man auf alle Fälle geförderten Wohnungsbau. Heute entstehen etwa 300.000 Wohnungen im Jahr, Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen, frei vermietbare Wohnungen und geförderte Wohnungen. Wir bräuchten etwa 400.000. 1973 wurden in Deutschland etwa 800.000 Wohnungen gebaut, 700.000 im Westen, 100.000 im Osten, da werden wir ja wohl 400.000 schaffen. Davon, in der Tat, müssen 100.000 geförderte Wohnungen sein. Wir müssen mehr Bauland ausweisen, Baugenehmigungen erteilen, die auch eine Mischung vorsehen, damit alle zum Zuge kommen und dafür sorgen, dass das Wohnen auch billiger wird. Eine Methode dazu ist seriell zu bauen, das hat sich sehr bewährt. Dafür müssen wir mit der Bauwirtschaft, den Wohnungsunternehmen, den Mieterinnen und Mietern ein Bündnis für das Wohnen schaffen und dazu beitragen, dass es einfacher geht.
Die zunehmenden Regulierungen bei Baustoffen und Dämmung machen es schwer, günstig zu bauen, um günstig vermieten zu können. Wie kann verhindert werden, dass die Preise ins Unermessliche steigen?
Für die Wohnungsunternehmen geht es darum, dass sie bestimmte Entwicklungsarbeiten nicht immer neu machen. Wenn es bestimmte Strukturen als Grundlage gibt, gibt es dadurch auch Möglichkeiten, Planungskosten und Zeit zu sparen, was sich unmittelbar auf die Baupreise auswirkt. Das Wichtigste ist aber, dass wir auf Dauer genug Steine, Fenster, Türen und Kupferrohre haben, damit man Häuser bauen kann. Und das heißt, wir müssen uns als Land auf eine langfristige Baukonjunktur einstellen und denjenigen, die die Wohnungen bauen, garantieren, dass wir dabeibleiben.
Wie würden Sie das garantieren?
Indem wir sagen, 400.000 Wohnungen pro Jahr, das machen wir jetzt mal zehn, 20 Jahre, wir hören mit dem Bauen von Wohnungen nicht mehr auf. Einer der Gründe für den heutigen Mangel ist, dass als sich schon längst abzeichnete, dass mehr Wohnungen benötigt werden, noch viele behauptet haben, das sei gar nicht so. Ich habe einmal gegen eine ganze Landesregierung angekämpft, die behauptet hat, es gibt kein Problem mit den Wohnungen. Die Bürger sahen das anders und haben mich zum Bürgermeister in Hamburg gewählt. Ein wichtiger Grund war der fehlende Wohnraum.
Was ist Ihre konkrete Antwort auf den Wohnungsmangel in der Hauptstadtregion?
Ich habe ein Bündnis für das Wohnen geschaffen mit der Bauindustrie, den Wohnungsunternehmen, den kommunalen und genossenschaftlichen genauso wie den privaten und mit den Mieterinnen und Mietern. Wir haben regelmäßig Verabredungen getroffen über die Ziele für den Wohnungsbau und über die Zahl der Wohnungen, die genehmigt werden müssen. Dabei haben wir Zahlen für Baugenehmigungen festgelegt, die pro Jahr zu erteilen sind und monatlich nachgehalten, wer wie weit es gekommen ist, sodass wir dann auch tatsächlich die entsprechenden Fortschritte erreichen konnten. Probleme haben wir ganz konkret besprochen, so dass auch viele konkrete Maßnahmen umgesetzt werden konnten bei der Gesetzgebung. Ein solches Bündnis für das Wohnen stelle ich mir für ganz Deutschland vor.
Würden Sie das Thema Wohnen sofort angehen?
Es muss sofort sein. Wir müssen zusammenarbeiten und alle Aufgaben anpacken, um die es geht. Dazu gehört ausreichender Wohnungsbau als eines der Top-Ziele, und geförderter Wohnungsbau, damit die Mieten bezahlbar bleiben, und damit sich auch Familien wie früher ein Haus absparen können. In Hamburg fragte man mich schon nach zwei Wochen, wo denn die damals 5.000 Wohnungen pro Jahr seien. Es ist dann so schnell gelungen, diese Zielmarke zu überschreiten, dass wir uns schon gleich die nächste vorgenommen haben mit den heute immer noch geltenden jährlichen 10.000 Wohnungen. Für Deutschland insgesamt muss das genau abgewogen werden, aber es muss eine Vereinbarung für genügend Wohnraum geben.
Mit Olaf Scholz sprach Sabine Gottschalk