Eine Kooperationsvereinbarung der Landesregierung mit Werkstätten für Menschen mit Behinderung soll Werkstattmitarbeitenden den Übergang in ein Arbeitsverhältnis am ersten Arbeitsmarkt erleichten. Dazu sollen sie unter anderem von Jobcoaches gezielt auf diesen Schritt vorbereitet werden.
Brandenburg will die Chancen für Menschen mit Behinderungen auf Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt weiter verbessern. Insbesondere sollen Beschäftigte, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten, bei der beruflichen Teilhabe und beim Übergang in reguläre Arbeitsverhältnisse weiterhin besonders unterstützt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, hat Sozialministerin Ursula Nonnemacher (B'90/Grüne) am Donnerstag gemeinsam mit der Präsidentin des Landesamtes für Soziales und Versorgung (LASV), Liane Klocek, dem Vorsitzenden der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte Brandenburg, Roland Seeger, und dem Vorsitzenden der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen Brandenburg, Frank-Michael Würdisch, eine bestehende Kooperationsvereinbarung ergänzt und bis Ende 2022 verlängert. Die Unterzeichnung fand in den Christophorus-Werkstätten der Samariteranstalten in Fürstenwalde/Spree (Oder-Spree) statt.
In Brandenburg gibt es 28 anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen, in denen rund 11.500 Menschen mit Behinderungen arbeiten. Alle Werkstätten sind Mitglieder der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen Brandenburg (LAG WfbM). Jährlich wechseln rund 20 bis 25 Werkstattbeschäftigte in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigtenverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Circa 380 Werkstattbeschäftigte sind auf sogenannte ausgelagerten Arbeitsplätzen in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig, 30 Menschen mit Behinderung haben sich für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einem Budget für Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entschieden, anstatt in einer Werkstatt zu arbeiten.
"Arbeit ist weit mehr, als nur Geld zu verdienen. Arbeit bedeutet Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf eine gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Arbeit. Werkstätten für behinderte Menschen leisten einen wichtigen Beitrag zur beruflichen Teilhabe. Sie bieten Akzeptanz, Verdienst und Sicherheit für Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung nicht oder noch nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten können. Werkstätten bleiben deshalb auch in Zukunft unverzichtbar. Aber sie dürfen keine Einbahnstraße sein", so Nonnemacher. Die Sozialministerin appellierte deshalb gleichzeitig an die Arbeitgeber, Menschen mit Behinderungen einzustellen. Denn Viele zögern noch oder zahlen lieber die Ausgleichsabgabe, statt die gesetzlich vorgeschriebene Zahl von schwerbehinderten Menschen zu beschäftigten. Im Rahmen der neuen Kooperationsvereinbarung soll deshalb auch explizit an Unternehmen herangetreten werden, um neue und geeignete Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung zu schaffen.
Der erste Arbeitsmarkt muss erreichbar bleiben
"Unsere Gesellschaft entwickelt sich zunehmend zu einer wissens- und technologiebasierten Dienstleistungsgesellschaft. Der demografische Wandel, aber auch die Corona-Pandemie haben Auswirkungen auf die Struktur der Arbeitsmärkte. Ziel muss es sein, dass der erste Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen erreichbar bleibt", betonte LASV-Präsidentin Liane Klocek. Gesellschaftliche Inklusion bedeute Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt sowie Teilhabe am Arbeitsleben. "Werkstätten bieten Menschen mit Behinderungen eine angemessene berufliche Bildung und Beschäftigung. In Zusammenarbeit mit dem Integrationsamt setzen wir uns auch zukünftig dafür ein, dass Menschen mit Behinderungen eine faire Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt erhalten“, so Klocek weiter.
"Die Brandenburger Werkstätten für behinderte Menschen erbringen vielfältige und personenorientierte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderung, die wegen Art und Schwere ihrer Beeinträchtigung noch nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten können. Menschen mit erheblichen Behinderung in den Werkstätten sind der einzige Personenkreis in Deutschland, der ein einklagbares Recht auf Arbeit hat. Werkstätten sichern durch ihre Leistungen diesen Rechtsanspruch und sind eine große sozialstaatliche Errungenschaft unserer Gesellschaft", erklärt auch Frank-Michael Würdisch, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen Brandenburg e.V. und Werkstattleiter der Christophorus-Werkstätten der Samariteranstalten.
Gemeinsam mit Betroffenen, Politik und Wirtschaft sei es in den vergangenen Jahren gelungen, unterstützte Beschäftigungsmodelle für den genannten Personenkreis auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu entwickeln, so Würdisch weiter. In diesem Zusammenhang nannte er das Budget für Arbeit und die Unterstützte Beschäftigung. Nach Ansicht der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten Brandenburg ist es in einem weiteren Schritt notwendig, den betroffenen Menschen diese Modelle als echte Option bei der Auswahl ihrer selbstbestimmten Teilhabeform transparent anzubieten und durch praktische Erfahrungen und stabile zwischenmenschliche Beziehungen wählbar zu machen. "Jeder einzelne Übergang eines Menschen mit Behinderung aus den Werkstätten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bleibt, auch mit den unterstützenden Modellen, ein großer Erfolg", betont Würdisch. Die überwiegende Mehrheit der in den Werkstätten beschäftigten Personen werde auch auch künftig die geschützte Form der Teilhabe am Arbeitsleben in den Werkstätten beanspruchen und benötigen.
Respekt spielt eine große Rolle
Roland Seeger von der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte will ermöglichen, dass jeder, der in den ersten Arbeitsmarkt wechseln möchte, diese Chance bekommt. Damit der Übergang gelingt, sei es jedoch wichtig, dass Menschen mit Behinderungen im Unternehmen auch respektiert werden.
Die Kooperationsvereinbarung ist eine Maßnahme des "Behindertenpolitischen Maßnahmenpakets 2.0" der Landesregierung. Mit ihrer Hilfe sollen die beruflichen Teilhabeangebote für Menschen mit Behinderungen erweitert werden. Werkstattbeschäftigte sollen unter anderem mehr Möglichkeiten erhalten, sich für betriebsnahe Alternativen wie zum Beispiel Außenarbeitsplätze, betriebliche Praktika, dauerhaft ausgelagerte Arbeitsplätze bis hin zum schrittweisen Übergang in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung entscheiden zu können.
Die im Jahr 2017 geschlossene und nun bis zum 31. Dezember 2022 erneuerte Vereinbarung wurde auch um neue Maßnahmen ergänzt. Die Kooperationspartner verpflichten sich zum Beispiel, unter Einbeziehung ihrer jeweiligen Netzwerkpartner zusätzliche private und öffentliche Arbeitgeber für die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu gewinnen. Werkstatt-Träger, die einen Inklusionsbetrieb ausgründen wollen, sollen nun vom Integrationsamt beim LASV unterstützt werden. Für den Übergang aus einer Werkstatt in den regulären Arbeitsmarkt soll ein Verfahren entwickelt werden, das mit den zuständigen Rehabilitationsträgern abgestimmt wird. Dazu sind separate Übergangsbereiche in den Werkstätten geplant, in denen Job-Coaches Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den regulären Arbeitsmarkt wechseln wollen, in speziellen Kursen gezielt auf diesen Schritt vorbereiten.