Zur Erweiterung des ÖPNV in Brandenburg will das Infrastrukturministerium stillgelegte Bahnstrecken reaktivieren. Dazu sollen Bundesmittel beantragt werden. Eine Potenzialanalyse hat nun gezeigt, bei welchen Strecken eine Reaktivierung sinnvoll wäre.
Das Land Brandenburg will die Angebote im Öffentlichen Personennahverkehr deutlich erweitern. Dazu kann auch die Reaktivierung von stillgelegten Bahnstrecken einen Beitrag leisten. Ein aktuelles Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung (MIL) gibt Aufschluss darüber, welche Bahnstrecken und -halte Potenzial zur Reaktivierung haben könnten. Die Ergebnisse der Untersuchung fließen in den neuen Landesnahverkehrsplan 2023 bis 2027 ein.
"Es ist das gemeinsame Ziel aller Koalitionsparteien, die Brandenburgerinnen und Brandenburger noch besser an den ÖPNV anzubinden. Hierfür bedarf es auch attraktiver Angebote in der Fläche, wie beispielsweise die Plus-Bus-Linien, deren Umsetzung Brandenburg unterstützt. Eine besondere Bedeutung hat zudem der Schienenpersonennahverkehr (SPNV), der alle Regionen Brandenburgs miteinander verknüpfen und damit schnelle Verbindungen im ganzen Land ermöglichen soll. Ein Baustein für die Weiterentwicklung des SPNV ist die Reaktivierung von ehemaligen Bahnstrecken. Der erste Schritt ist hier gemacht, denn seit Mitte Dezember 2021 fährt die RB35 stündlich auf dem reaktivierten Streckenabschnitt zwischen Bad Saarow Klinikum und dem Bahnhof Bad Saarow-Pieskow. Mit der Potenzialanalyse gehen wir auf diesem Weg weiter voran", erklärt Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU).
Die Potenzialanalyse wurde von der "PTV–Transport Consult GmbH" in Vorbereitung des neuen Landesnahverkehrsplans erstellt. Auf Grundlage dieses Basisgutachtens wurde eine Erstbewertung von 32 potenziell zu aktivierenden brandenburgischen Eisenbahnstrecken zuzüglich vier Verbindungskurven vorgenommen. Diese potenziellen Strecken und 35 Halte waren auch Ergebnis einer vorher erfolgten Abfrage des MIL bei den Landkreisen und kreisfreien Städten. Abgeleitet von den Ergebnissen des Basisgutachtens und der dort anhand der Kriterien "Verkehrspotenzial im Einzugsbereich", "Infrastrukturzustand" und "Netzwirkung" vorgenommenen Bewertung sollen nun zunächst bestimmte Schienenstrecken über Machbarkeitsstudien in zwei Arbeitspaketen intensiv und detailliert auf eine Aktivierungsmöglichkeit hin untersucht werden.
Zur Operationalisierung werden zunächst zwei Pakete gebildet, die nacheinander in Umsetzung des neuen Landesnahverkehrsplans abgearbeitet werden. Unter Berücksichtigung raumstruktureller und infrastruktureller Belange, also Berlin und der weitere Metropolenraum, aber auch kurze oder längere Streckenabschnitte, werden aus den Ergebnissen der Potenzialuntersuchung jeweils zwei kurze Strecken aus der Kategorie A und zwei lange Strecken aus der Kategorie B in einem Paket gebündelt.
Paket 1 enthält Verbindungen zwischen Rathenow und Rathenow Nord (kurz und weiterer Metropolenraum) sowie zwischen Fredersdorf und Rüdersdorf (kurz und Berliner Umland) in der Kategorie A. In die Kategorie B fallen in diesem Paket die Strecken Werneuchen – Wriezen (lang und Berliner Umland) sowie Luckau-Uckro – Lübben (lang und weiterer Metropolenraum).
Paket 2 umfasst in der Kategorie A die Strecken Hoppegarten – Altlandsberg (kurz und Berliner Umland) und Falkenberg – Herzberg-Stadt (lang und weiterer Metropolenraum). In der Kategorie B sind die Strecken Müncheberg – Müncheberg-Stadt (kurz und weiterer Metropolenraum) und Wustermark – Ketzin (lang und Berliner Umland) verzeichnet.
Die Potenzialanalyse hat sich ebenfalls mit der Reaktivierung von potenziellen neuen Halten beschäftigt. In die Erstbewertung sind hier insgesamt 35 Halte eingegangen. Im Ergebnis zeigen Halte an folgenden Orten Poteztial für eine Reaktivierung: Heidefeld (SPNV-Strecke Brandenburg Hbf – Rathenow), Kiekebusch (SPNV-Strecke Cottbus Hbf – Görlitz), Bornim-Grube (SPNV-Strecke Berliner Außenring) und Haida (Oberlausitz) (SPNV-Strecke Falkenberg (Elster) – Ruhland).
Machbarkeitsstudien und Kosten-Nutzen-Untersuchung je Strecke
Die Strecken der beiden Arbeitspakete lassen hinsichtlich der zu erwartenden werktäglichen Personenverkehrsleistung ein ausreichendes Potenzial für eine Reaktivierung erkennen. Für diese Strecken ist daher zur Grobbewertung vorgesehen, zunächst eine Machbarkeitsstudie mit einer differenzierten Betrachtung von Nutzen und Kosten durchzuführen. Für Reaktivierungsstrecken, die im Ergebnis einen Nutzen-Kosten-Faktor > 1 aufweisen, soll dann in einem zweiten Schritt das Regelverfahren der Standardisierten Bewertung angewendet werden, was Voraussetzung für eine Förderung der erforderlichen Investitionskosten nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) im Rahmen des Bundesprogramms ist. Ziel ist, eine GVFG-Bundesförderung zu beantragen, sofern auch für eine künftige Verkehrsbestellung Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. Für die Reaktivierungshalte ist vorgesehen, eine vereinfachte Nutzen-Kosten-Untersuchung sowie eine Betrachtung der betrieblichen Auswirkungen durchzuführen.