Initiative „Tschüss Erdgas!“ vermisst Potenzialstudie
Rund die Hälfte der Wärme für Potsdam könnte laut Eckard Veil, dem Geschäftsführer der Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP), regenerativ erzeugt werden. Das stößt bei der Initiative „Tschüss Erdgas!“ auf Kritik, genau wie die Dekarbonisierungsstrategie der EWP. Die Initiative fordert eine Überarbeitung der Strategie, da diese überhaupt nicht zeige, welche Potenziale es für eine erneuerbare Wärmeversorgung gebe, sagt Thomas Vogt, Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und einer der Initiatoren von „Tschüss Erdgas!“.
„Potenzialstudien zur Wärmewende in anderen Städten wie Berlin und Rostock zeigen deutlich, dass erhebliche Investitionen in Netzinfrastruktur notwendig sind, um das Fernwärmenetz zu transformieren. Dabei werden dezentralere Strukturen, Nahwärme und Subnetze sowie neue Rohrdurchmesser diskutiert, um Wärme effizient und kostengünstig bereitzustellen“, so Vogt. Solch eine Untersuchung gebe es für Potsdam aber gar nicht. Der im Jahr 2017 veröffentlichte Masterplan, der darauf abzielt, die Wärmeversorgung von Potsdam bis 2050 zu dekarbonisieren, könne keine Potenzialstudie ersetzen, da er auf veralteten Klimaschutzvorgaben beruhe und davon ausgehe, dass das Fernwärmenetz in seiner aktuellen Form beibehalten werde.
Laut Veil werde die aktuelle Strategie ständig angepasst. „Unsere Fachkräfte arbeiten täglich an diesen Themen, wir beobachten Entwicklungen im Bereich der Forschung, der technischen Innovation und lassen dieses Wissen in unsere Arbeit und Zukunftsstrategie einfließen. Unsere Strategie befindet sich in einer stetigen Weiterentwicklung“, betont er. Sie sieht vor, bis 2050 mehr als 50 Prozent der Fernwärmeversorgung durch das Verbrennen von Kraftstoffen zu generieren. Dabei soll das derzeit im Heizkraftwerk Süd verbrannte Erdgas schrittweise durch synthetische Gase wie Wasserstoff ersetzt werden. Die Bürgerinitiative sieht das kritisch, weil sie nicht absehbare Kosten für Verbraucher befürchtet. Zudem müsse bei der Herstellung und Nutzung von Wasserstoff mit hohen Energieverlusten und Transportkosten gerechnet werden. „Dezentrale Lösungen auf Basis von Umweltwärme sind oft schon heute die kostengünstigere Alternative“, so Thomas Vogt. Die Erzeugung von Wärme mit Strom aus Überschüssen des Brandenburger Umlands werde langfristig der effizienteste und günstigste Ansatz sein, insbesondere wenn Wärmepumpen zum Einsatz kommen, die die Wärme aus dem Erdreich oder aus Gewässern nutzen.
Mit dem Laufzeitende des Heizkraftwerkes Süd in 2030 müsse die Wärmeversorgung Potsdams ganz neu gedacht werden, fordert die Initiative. Die aktuellen Pläne, mit dem Neubau eines großen Heizkraftwerks das zentralisierte Fernwärmenetz zu zementieren, seien nicht geeignet, um eine nachhaltige und bezahlbare Wärmeversorgung Potsdams langfristig sicherzustellen, teilte die BI mit. „Konstruktive und realistische Anregungen sind immer herzlich willkommen“, so EWP-Chef Veil. Den Beitrag zur Dekarbonisierungsdiskussion habe er zur Kenntnis genommen und danke den Verfassern für die Zeit und die Mühe, die darin eingeflossen seien.