Große Balkone, Kamin oder Gäste-WC: Die Potsdamer Stadtverwaltung will südlich des Potsdamer Hauptbahnhofs und im südlichen Babelsberg solche Umbauten bei der Sanierung von Häusern in Zukunft nicht mehr gestatten. Durch sogenannte Milieuschutzsatzungen soll das Emporschnellen der Mieten abgefedert werden. Foto: Elke Lange
Eine Detailanalyse für die „Soziale Erhaltungssatzung“ in Potsdam liegt vor
Um die Bewohner vor Verdrängungsprozessen auf dem Wohnungsmarkt zu schützen, hat die Landeshauptstadt Potsdam geprüft, ob für das Gebiet südlich des Potsdamer Hauptbahnhofs/Babelsberg Süd eine soziale Erhaltungssatzung erlassen werden kann. Hausbesitzer bräuchten dort in Zukunft besondere Genehmigungen, wenn sie Sanierungen oder Modernisierungen planen. Die Genehmigungen würden nur erteilt, wenn der Ausstattungsgrad der Wohnungen nach den Arbeiten nicht höher liegt als der durchschnittlich vorhandene Wohnkomfort in dem Gebiet. Luxussanierungen, die hohe Mieten nach sich ziehen, sollen so verhindert werden.
Seit Jahren ist über eine erste sogenannte „soziale Erhaltungssatzung“ für Potsdam verhandelt worden, nun gibt es einen verbindlichen Zieltermin: Die Ergebnisse der Untersuchung wurden am 28. März im Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Wohnen und Inklusion sowie am 30. März in einer öffentlichen Anwohnerversammlung vorgestellt. Noch vor der Sommerpause soll den Stadtverordneten die Satzung vorgelegt werden.
Oberbürgermeister Mike Schubert erklärte am Dienstag dazu: „Eine Bürgerumfrage aus 2022 hat deutlich aufgezeigt, dass die Gefahr der Verdrängung von finanziell schwächeren Menschen aus der Stadt als größte Herausforderung für die Stadtgesellschaft gesehen wird. Drei von fünf Befragten sehen hier akuten Handlungsbedarf. Das nehme ich sehr ernst.“ So hat sich die Landeshauptstadt vor diesem Hintergrund das strategische Ziel gesetzt, einerseits bezahlbaren und bedarfsgerechten Wohnraum neu zu schaffen, andererseits den vorhandenen bezahlbaren und bedarfsgerechten Wohnraum zu erhalten. „Zudem streben wir eine nachhaltige Entwicklung der Stadt- und Ortsteile mit einer ausgewogenen, gemischten Bevölkerungsstruktur an. Wir wollen gewachsene und lebendige Bewohnerstrukturen in den Wohngebieten schützen. Die Soziale Erhaltungssatzung ist für Potsdam daher ein wichtiges Instrument, um in bestimmten Quartieren steuernd in den Wohnungsmarkt eingreifen zu können und etwa Luxussanierungen zu verhindern, die von den Bewohnenden schlicht nicht mehr getragen werden können“, ergänzt er.
Soziale Zusammensetzung der Wohnbevölkerung
In Vorbereitung wurden Umfragebögen an alle Haushalte im Untersuchungsgebiet verschickt. Sie sind die Grundlage einer anonymen Datenerhebung über die soziale Zusammensetzung der Wohnbevölkerung. Das Berliner Planungsbüro LPG (Landesweite Planungsgesellschaft mbH) wurde mit der Analyse beauftragt. Vorgeschlagen wurden die Teltower Vorstadt und Babelsberg Süd als soziale Erhaltungsgebiete.
Auch wenn sich die Gebiete unterscheiden, zeigt sich: Aufwertungspotenzial ist da. Einfache Ausstattungen im Badezimmer, einfache Fensterverglasungen, kleine Balkone kennzeichnen den Bestand.
Und trotzdem sind jetzt schon „die Mieten relativ heftig“, wie LPG-Geschäftsführer Roland Schröder erklärt. Sie liegen großteils über acht Euro kalt und sind in den vergangenen Jahren immens gestiegen. „In Babelsberg Süd droht eine zweite Sanierungswelle, wir sehen hier ein hohes Aufwertungspotential“, schildert Roland Schröder weiter..
Verdrängungsprozesse können vor allem durch bestimmte bauliche Modernisierungsmaßnahmen an Wohngebäuden und Wohnungen und den damit einhergehenden Mieterhöhungen durch die Umlage der Modernisierungskosten verursacht werden. Zu solchen Maßnahmen zählen zum Beispiel besonders aufwändige, wohnwerterhöhende Modernisierungsarbeiten, die Zusammenlegung oder Teilung von Wohnräumen/Wohnungen, die Umnutzung von Wohnungen in Gewerbe oder Ferienwohnungen, der Abriss von Wohngebäuden oder die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.
Verdrängung einkommensschwächerer Haushalte durch wohlhabendere Haushalte
Brigitte Meier, Beigeordnete für Ordnung, Sicherheit, Soziales und Gesundheit, die bereits in München Erfahrungen mit einer derartigen Satzung sammelte, sagt: „Das sorgt für ungleiche Lebensverhältnisse in den einzelnen Stadt- und Ortsteilen. Ein wichtiges Instrument, um einer weiteren sozialen Entmischung entgegenzutreten, sind soziale Erhaltungssatzungen. Die Ergebnisse der vertiefenden Untersuchung zeigen, dass wir – erstmals in Potsdam und Brandenburg – dieses Instrument aus dem Baugesetzbuch nun fachlich fundiert auf den Weg bringen können.“
„Wenn eine Satzung in den Markt eingreift, muss sie rechtssicher sein“, rechtfertigte Mike Schubert das lange Verfahren. Das Regelwerk müsse möglichen Klagen standhalten. Zwar soll die Erhaltungssatzung die Mieter schützen, doch zugleich dämpfte Roland Schröder zu hohe Erwartungen. So könne das Instrument keinesfalls Mietsteigerungen komplett verhindern. Zudem gebe es im Land Brandenburg keine Umwandlungsverordnung. Mit einer derartigen Regelung könnte das Land dafür sorgen, dass auch die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen genehmigt werden müssen. Bisherige Anfragen beim Land seien mit dem Hinweis gescheitert, es handle sich um ein Potsdamer Problem, so die Beigeordnete Brigitte Meier.
Mike Schubert merkte an: “Es ist nicht die letzte Erhaltungssatzung, über die wir berichten.” Weitere Gebiete sollen mittels Sozialraumscreening ausgemacht werden, die für eine soziale Erhaltungssatzung in Frage kämen. Für weitere Gebiete in Potsdam sind Erhaltungssatzungen denkbar.