Verhandlungen für mehr Artenschutz wurden abgebrochen
Es hätte ein Vorzeigeprojekt für demokratische Beteiligung sein können: Umweltverbände, Landnutzer und die Regierungsparteien wollten mit dem sogenannten Insektendialog einen gemeinsamen Weg zu einem Gesetz für mehr Artenschutz im Land Brandenburg finden. Mitte der vorigen Woche wurden die Gespräche aber nach mehr als zwei Jahren abgebrochen – obwohl sie bereits auf der Zielgeraden waren. Nun überhäufen sich die Teilnehmer gegenseitig mit Vorwürfen.
Umweltverbände begründen Ausstieg
Die Volksinitiative „Artenvielfalt retten – Zukunft sichern“ hatte die Arbeiten am Gesetzentwurf am 15. Dezember für gescheitert erklärt. Begründet wurde das damit, dass der Landesbauernverband (LBV)gemeinsam mit SPD- und CDU-Fraktion den verbindlichen Verzicht auf Pestizide und Düngemittel in Schutzgebieten verhindert hätte. „Damit wäre dem Kernproblem des Insektenschwundes und des Artensterbens wirksam begegnet worden“, wie der NABU Brandenburg mitteilte, der zusammen mit weiteren Brandenburger Umwelt- und Naturschutzvereinen, deren Jugendorganisationen, der Grünen Liga und der Aurelia Stiftung im April 2019 die Volksinitiative gestartet hatte.
Landnutzer vermissen Finanzierung
Dr. Sabine Buder, Tierärztin und Geschäftsführerin des Forum Natur Brandenburg (FNB), eine der Hauptakteurinnen im Dialog, wirft den Umweltverbänden kindisches Verhalten vor. „Sie verhalten sich dabei so ähnlich wie mein jüngstes Kind beim Einkauf im Spielzeugladen. Es lädt sich ebenfalls gerne schöne Sachen in den Warenkorb und verzweifelt dann an der Kasse, weil das Taschengeld nicht reicht.“ Wären alle Forderungen der Umweltverbände umgesetzt worden, hätte das Ertragsausfälle von jährlich 40 Millionen Euro zur Folge gehabt, so der FNB. Dem habe ein Angebot von jeweils drei Millionen Euro Ausgleichszahlungen für die nächsten beiden Jahre seitens des Landes gegenüber gestanden. „Ein vernünftiger Kompromiss sieht anders aus“, heißt es vom FNB weiter. „Aber auch mit sechs Millionen Euro könnte man bereits viel erreichen.“
Grüne sehen Bauern in der Schuld
Die Grünen-Fraktion im Landtag hingegen sieht eine andere Ursache. „Der Landesbauernverband war trotz weitgehender Zugeständnisse der Umweltverbände nicht zu einer gesetzlichen Regelung bereit“, teilte die Fraktion mit. „Nachdem der Prozess ins Stocken geriet, stand eine Lösung in den letzten Tagen kurz bevor. Unter der Voraussetzung einer Einigung zu einer gesetzlichen Regelung mit konkreten Inhalten hätten wir zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt“, so der Fraktions-Vorsitzende Benjamin Raschke. „Ich hatte allen Beteiligten hierfür einen Kompromiss vorgeschlagen: eine Einigung auf Eckpunkte für ein Gesetz, bei dem die Umweltverbände schweren Herzens auf Regelungen zu den FFH-Gebieten verzichtet hätten.“
LBV zeigt kein Verständnis
Der Präsident des Landesbauernverbands, Henrik Wendorff, verweist ebenfalls auf ein eigenes Angebot: „Ein Insektenschutzgesetz, das unter anderem das Verbot von Pflanzenschutzmitteln und mineralischen Stickstoffdünger in Naturschutzgebieten auf immerhin 65.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche enthalten hätte.“ Er könne nicht verstehen, warum dieser Vorschlag von den Umweltverbänden abgelehnt worden sei. „Dass gerade sie jetzt den Dialogprozess einseitig aufkündigen, macht fassungslos und lässt an der Aufrichtigkeit der geäußerten Anliegen in Bezug auf mehr Artenvielfalt und Biodiversität zweifeln. Wir hoffen, dass ein Scheitern der Verhandlungen noch abgewendet werden kann“, so Wendorff weiter.
Appell aus der Landespolitik
Der Vorsitzende der CDU.-Fraktion im Landtag, Jan Redmann, appelliert ebenfalls dafür, weiter am Gesetz zu arbeiten. „Was wir heute tun können, sollten wir auch machen. Es ist daher unnötig, ein Scheitern der Gespräche zu erklären“, teilte er mit. „Aus meiner Sicht sollten wir dort, wo bereits eine Einigung erzielt wurde, Maßnahmen ergreifen. Ich denke da beispielsweise an den besseren Schutz von Gewässerrandstreifen oder die Anschaffung insektenfreundlicher Mähtechnik für unsere Kommunen. Mehr Insektenschutz sollte nicht so leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden, weil man an Maximalforderungen klebt.“
Auch die landwirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Isabell Hiekel, betont, dass weiter für den Schutz der Insekten gekämpft werden müsse. „Ich bin enttäuscht, dass sich die Koalitionspartner und der Landesbauernverband trotz Aussicht auf umfangreiche Ausgleichszahlungen und weitgehende Zugeständnisse der Umweltverbände nicht zu einer gesetzlichen Verbindlichkeit bekannt haben. Wir werden weiter für Insektenschutz und Artenvielfalt eintreten, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln.“