Kaum jemand möchte Windräder vor der eigenen Haustür haben. Für die Energiewende sind sie aber alternativlos und müssen, ebenso wie Photovoltaikanlagen, in den kommenden Jahren massiv ausgebaut werden.
Windkraftgegner laufen Sturm, wenn neue Flächen zur Stromproduktion erschlossen werden sollen. Kaum jemand möchte ein Windrad am Ortsrand haben, im nahegelegenen Wald schon gar nicht. Aber es will auch niemand auf den Lebensstandard verzichten, den Deutschland erreicht hat. Das Problem sei kein regionales, sondern ein nationales, sagt der Vorsitzende des Landesverbands Windenergie der Länder Berlin und Brandenburg, Jan Hinrich Glahr, im Gespräch mit dem Blickpunkt. Trotzdem trifft es Brandenburg besonders hart. Denn hier sei zehn bis 15 Jahre lang alles richtig gemacht worden, immer mehr Anlagen kamen hinzu und produzierten entsprechend mehr Megawatt Strom. Doch dann kam 2016 eine Richtungsänderung vom Bund, die Beschränkungen vorsah. Windenergieanbieter mussten sich um Flächen bewerben und wer die wenigsten Fördergelder beanspruchte, bekam schließlich den Zuschlag. Kamen im Jahr 2017 noch fast 540 Megawatt durch neue Anlagen hinzu, waren es 2019 nur noch rund 200.
Inzwischen erholt sich die Branche leicht, doch auch im vergangenen Jahr wurden weniger als 240 Megawatt neu hinzugebaut, 300 Megawatt wären jedoch mindestens nötig gewesen, um das vom Land für die Windenergie selbstgesteckte Ausbauziel von mindestens 10.500 Megawatt installierter Leistung bis 2030 zu erreichen. Auch nach der neuen Zunahme seit 2020 steige die Zahl neuer Anlagen nur in sehr geringem Maß, so Glahr. „Wenn man sich die Politik anhört, haben wir schon jetzt kaum noch die Möglichkeit, Windenergie hinzuzubauen, obwohl wir uns auf einem ganz niedrigen Niveau wieder nach oben schieben. Aber die Messlatte, um die Klima-katastrophe zu verhindern, liegt ja viel höher“, betont der Verbandsvorsitzende. Gleichzeitig gibt es aber Diskussionen um Waldbrände durch Windenergie. Solche vorgeschobenen Ängste führen dazu, dass es immer schwieriger wird, die vereinbarten Klimaziele zu erreichen. Dabei ist der Ausbau erneuerbarer Energien alternativlos, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen.
Ein großes Problem sieht Glahr in der Tatsache, dass die Politik seit Jahren wenig Bereitschaft zur direkten Auseinandersetzung mit betroffenen Anrainern zeigt. Man müsse den Menschen die Vor- und Nachteile erläutern und sich mit ihren Sorgen auseinandersetzen. Wenn allerdings, wie seit etwa 2016 geschehen, das Wort den Windkraftgegnern überlassen werde, mehren sich die Stimmen, dass der Bau Probleme nach sich zieht. Wenn von „Monsteranlagen“ die Rede ist, wird das Feuer jener angefacht, die die Anlagen nicht in Sichtweite haben wollen. So erklärt sich auch der recht massive Widerstand gegen das in Ferch geplante Projekt „Dachsberge“ des Potsdamer Unternehmens Notus Energy, das auf starken Gegenwind vor allem aus Werder stieß.
Erschwerend kommt hinzu, dass Brandenburg über eine große Anzahl in die Jahre gekommener Windkraftanlagen verfügt, die oftmals nicht durch neue ersetzt werden können, weil sich die Bedingungen vor Ort geändert haben. Allein daraus ergibt sich laut Glahr, dass in den kommenden Jahren etwa 40 Prozent der Brandenburger Anlagen nicht weiter betrieben werden könnten.
Ein Umdenken ist dringend nötig
Eine weitere Hürde müssen potenzielle Anlagenbetreiber in der Region Havelland-Fläming nehmen. Denn nach einem erfolgreich durchgeführten Normenkontrollverfahren hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hier den bestehenden Regionalplan bereits gekippt. Dieser Präzedenzfall hat Auswirkungen auf ganz Brandenburg. Das bedeutet, dass Windkraftanlagen in dem Gebiet nur noch mit Ausnahmegenehmigungen gebaut werden dürfen. Darunter fallen auch die Dachsberge in Ferch. Dort wollte Notus Energy ursprünglich sieben Anlagen errichten, eine wurde bereits durch das Landesumweltamt abgelehnt. Für die anderen fehlen noch Stellungnahmen. Notus-Projektleiter Mirko Hannemann hofft dennoch auf einen Abschluss des Verfahrens bis Ende des Jahres.
Das steht in krassem Gegensatz zu einem Plangebiet bei Fichtenwalde, das Ursprung des von einem Berliner Anwalt im Namen der Stadt Beelitz ausgelösten Gerichtserfahrens war. Diese Fläche ist für die Windenergie mittlerweile generell verloren.