Ereignisse, die sich überschlagen, und trotzdem heißt es Nerven zu bewahren
Coronabedingt fiel auch in Treuenbrietzen das Sabinchenfest in den letzten Jahren aus. Ein Stadtfest, bei dem man alte Bekannte trifft, denen man im Trubel des Alltags kaum mehr über den Weg läuft, obwohl man in der Kleinstadt beinahe jeden zweiten zumindest vom Gesicht her kennt. Auch ehemalige Treuenbrietzener nutzen das Fest, reisen an und verbringen Zeit in der alten Heimat, in der sie aufgewachsen sind. Bereits vor Monaten setzte sich ein Festkommitee an einen Tisch und begann mit den Vorbereitungen für das Sabinchenfest - nicht wissend, ob Corona den Engagierten nicht doch wieder die Suppe versalzen wird. Schon die Planungen gingen mit Hoffen und Bangen einher.
Und endlich war es soweit. Bereits am Mittwoch rückten Schausteller an und bauten Fahrgeschäfte auf, die Vorbereitungen für das Fest liefen auf Hochtouren. Doch bevor es am Freitag nun eröffnet werden sollte, war es in der Stadt längst nicht mehr zu überhören: das Tatütata der Feuerwehren. Schnell wurde klar: Es brennt. Und wieder bei Frohnsdorf. Eben dort, wo 2018 schon einmal der Wald lichterloh in Flammen stand, fürchten wieder Menschen um ihr Hab und Gut.
Hoffen auf einsetzenden Regen
Und was soll nun aus dem Sabinchenfest werden? Es wird am Freitag eröffnet. Und auch das Feuerwerk findet am Freitagabend statt. Währenddessen rollen immer mehr Feuerwehrfahrzeuge in Windeseile durch die Stadt. Über Soziale Medien verbreitet sich rasch Unmut. Wie könne man in der Stadt zum gemütlichen Teil übergehen, während die Einwohner in den Ortsteilen um ihre Häuser bangen? Was mögen wohl die eintreffenden Einsatzkräfte von Feuerwehr, Polizei, Technischem Hilfswerk und weitere im Anblick des Trubels in der Innenstadt denken? Fragen, die auch bei Besuchern des Sabinchenfestes eine Rolle spielten. Die Nerven sind angespannt.
Am Sonnabend ähnelt die Situation der vom Vortag. Einsatzwagen von Polizei oder Feuerwehr eilen durch die Stadt, die Sirenen sind weithin hörbar, Hubschrauber mit Wassertonnen fliegen über die Stadt. Die Temperaturen klettern nach oben, sind beinah unerträglich. Das Sabinchenfest geht weiter. Am Abend wird dann aber der Festumzug, der für Sonntag geplant war, abgesagt. Die notwendigen Kräfte, die ihn absichern sollten, sind nicht verfügbar. Sie helfen bei der Brandbekämpfung.
Am Samstag tummeln sich längst nicht so viele Besucher auf dem Marktplatz wie noch am Vortag. Doch das war auch schon bei vergangenen Festen so. Und die, die gekommen sind, lauschen der Live-Musik auf der Bühne. Und im Hintergrund - da fliegen sie immer noch. Die Hubschrauber von Polizei und Bundeswehr holen für die Löscharbeiten Nachschub aus dem Baggersee. Gedanklich wie auch visuell begleitete das Geschehen nahe den Ortsteilen der Stadt auch an diesem Abend die Gäste des Festes. Unter den Besuchern sind auch viele Frauen deren Ehepartner, Väter und Söhne beim Löscheinsatz mit dabei sind. Zufrieden sind mit der Situation wohl die wenigsten. Wohl aber sorgte die Atmosphäre für ein wenig Ablenkung, trug zur Vermeidung von Panik bei. Am Sonntag schließlich konnten die Kleinsten aus den Kindereinrichtungen noch ihr Programm auf der Bühne präsentieren, für das sie wochenlang geprobt haben. Gegen 14 Uhr wird das Fest schließlich abgebrochen.
Die Temperaturen steigen unterdessen in schwindelerregende Höhe, Schattenplätze sind gefragt. Inzwischen wurde auch im Johanniter-Krankenhaus ein Besucherstopp verhängt. Die Windböen nehmen immer wieder kräftig an Fahrt auf.
Auch das Gerücht, dass es sich um Brandstiftung handeln könnte, macht die Runde. Bereits 2018 tauchte es schon auf. Offiziell bestätigt wird es jedoch von keiner Seite. An Spekulationen beteilige man sich nicht, heißt es immer wieder.
Nun auch noch ein Großbrand in Beelitz
Und als ob nicht ein Großbrand schon genug sei, kommt ein weiterer nur etwa zwanzig Kilometer weiter hinzu. In Beelitz Heilstätten brennen Baumwipfel. Bürgermeister Bernhard Knuth bricht die laufenden Veranstaltungen auf der Landesgartenschau aufgrund der Rauchentwicklung ab. Erst am Mittwoch öffnen sich hier wieder die Tore für Besucher.
... und der Sommer fängt erst an
Es ist ein heißer Sonntag, die Windgeschwindigkeit nimmt zu. Weitere Einsatzkräfte aus Sachsen-Anhalt eilen zu Hilfe. Auch in Beelitz werden nun Bewohner einer Kleingartenanlage evakuiert. Dichter Rauch steigt auf. Die B2 ist gesperrt. Die Einsatzkräfte kämpfen nun an zwei Stellen gegen die Flammen und das Übergreifen auf Ortschaften. Und ein jeder hofft auf Regen, der vom Wetterdienst prognostiziert wurde. Aber bis dahin heißt es durchhalten. Zwischenzeitlich gerät der Brand in Beelitz kurzzeitig außer Kontrolle. Die Flammen fressen sich immer weiter an eine Tankstelle heran. Der Bahnverkehr ist längst unterbrochen, die Autobahn A9 aufgrund der Rauchentwicklung gesperrt und auch weiter südlich in Richtung Leipzig ist kein schnelles Durchkommen mehr möglich. Abseits vom Großbrand stellt sich fast nebenbei ein weiteres Problem ein. Aufgrund der heißen Temperaturen löst sich hier der Fahnbahnbelag heißt es in den Verkehrsnachrichten. Der Verkehr staut sich, die letzte freie Ausfahrt ist Köselitz.
In der Nacht setzt dann endlich Regen ein und verschafft den Einsatzkräften eine Verschnaufpause. Am Montag sind die verheerenden Waldbrände in Brandenburg bei Beelitz und Treuenbrietzen auf je 200 Hektar unter Kontrolle – doch die Feuerwehr muss die Glutnester in den Waldgebieten weiter im Auge behalten. Diese säßen bis zu 70 Zentimeter tief im Boden und könnten sich dort über Wochen halten, erklärte die Sprecherin des Landkreises Potsdam-Mittelmark.
Angesichts der Waldbrände in Brandenburg ruft Ministerpräsident Dietmar Woidke den Bund zur Hilfe bei militärischen Altlasten auf. „Unser Hauptproblem war die militärische Belastung der Flächen, auf denen diese Brände ausgebrochen sind“, so Dietmar Woidke, der sich am Sonntag vor Ort ein Bild machte. Feuerwehrleute hätten sie teilweise nicht betreten können. Die Lage sei hochdramatisch gewesen, bestätigte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen am Montag bei einem Besuch im Brandgebiet. Wen wunderts. Schon 2018 war die Situation die gleiche. Vier Jahre später drohen per Waldbrand wieder Menschen ihr Hab und Gut zu verlieren. Die Trockenheit im Land nimmt weiterhin zu, und unverändert lagert weiterhin Munition in den trockenen Waldböden. Den Erkenntnissen von damals folgten offenbar wenige Taten. Innenminister Michael Stübgen konnte sich zwar darauf berufen, dass das Land den Kommunen Geld für den Kauf von Löschfahrzeugen zur Verfügung stellte. Doch scheint der Aufwand im Vergleich zum Waldbranddesaster und dem Ausmaß in keinem Verhältnis zu stehen. Von den Folgekosten ganz zu schweigen. In der Spitze waren am Wochenende über 1.400 Kräfte im Einsatz.
Die Einwohner von Tiefenbrunn, Klausdorf und Frohnsdorf können wieder in ihre Häuser zurück. Eine Notunterkunft war für sie in der Mehrzweckhalle der Stadt Treuenbrietzen eingerichtet, doch nur wenige machten davon Gebrauch. Viele kamen bei Verwandten oder Bekannten unter, und auch freie Ferienwohnungen wurden angeboten. Überhaupt sei die Solidarität wie auch schon 2018 unter den Treuenbrietzenern groß gewesen. Und selbst ein Feuerwehrkamerad aus Oberhavel, der beim Einsatz vor Ort war, teilte per Soziale Medien mit, dass er beeindruckt von der Fürsorge war, die den Einsatzkräften zuteil wurde. Angefangen von dem kleinen Jungen, der einen Apfel reichte bis hin zu der älteren Dame, die die Kameraden offenbar geradezu „zwingt“ noch ein Stück Kuchen zu essen bis hin zu Autofahrern, die beim Anblick der Kolonne Platz machten für eine ungehinderte Durchfahrt.
Ein Flammen-Inferno wie man es eigentlich nur aus Fernsehbildern etwa in Kalifornien kennt blieb aus. Doch bereits für das Wochenende werden erneut heiße Temperaturen vorausgesagt. Die Ursachen für die Waldbrände lagern weiterhin im trockenen Waldboden, Gespräche zur Altlastenberäumung sind offenbar auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben .... und der Sommer fängt erst an.