Über die Schulung von Polizeihunden wird derzeit gestritten. Die Tiere würden gequält, sagen Tierschützer. Man hole das Beste aus ihnen heraus, entgegnen Hundeführer. Ein Besuch beim Diensthundwesen gewährt Einblicke.
Ein elfjähriges Kind wird bereits seit neun Stunden vermisst. Die Einsatzkräfte der Polizei sind alarmiert. Diensthund Cravlli kommt zum Einsatz und findet schließlich das Kind. Es kann wieder seinen Eltern übergeben werden.
Cravlli ist einer von insgesamt 67 Diensthunden im Land Brandenburg. Bevor er überhaupt zum Einsatz kommt, hat er eine Grundausbildung von mehr als 100 Tagen gemeinsam mit seinem Diensthundführenden erhalten. „Beide sind ein Team“, erklärt Beate Rahn, kommissarische Leiterin Stabsbereich Zentralstelle Diensthundwesen, so die offizielle Bezeichnung. Täglich absolvieren Diensthund und Diensthundführender ein Training. Weit mehr als zehn Jahre könne ein Polizeihund im Einsatz sein.
Ein „dicker Hund“
Seitdem Tierschützer beklagen, dass es bei der Polizeihunde-Ausbildung nicht tiergerecht zugehe, steht das Renommee der Polizeihundeführer auf dem Spiel. Es geht um ein Halsband, das auch Cravlli getragen hat bei der Ausbildung: ein Stachelhalsband. Es hat nach innen gerichtete abgerundete Zacken. Zieht man an der Leine zwickt oder kneift es - je nach Intensität.
Hundebesitzer dürfen Stachelhalsbänder nicht benutzen. Für Diensthunde gab es eine Ausnahme, aber nur bis Anfang des Jahres. Dann trat eine neue Tierschutz-Hundeverordnung in Kraft, die besagt, dass schmerzhafte Mittel bei der Hundeerziehung unzulässig sind, auch bei der Polizei. Die aber würde gern eine Ausnahmegenehmigung festgeschrieben sehen. Derzeit ermögliche ein Erlass im Land Brandenburg noch die Anwendung, kann aber nur eine Zwischenlösung darstellen.
Die 67 Polizeihunde im aktiven Dienst in Brandenburg werden auf Hundeausbildungsplätzen im Land trainiert. Johann Arndt ist Diensthundausbilder und das bereits seit dreizehn Jahren. Das Anforderungsprofil an die Hunde habe sich in den vergangenen Jahren massiv verändert, sagt er. Das Diensthundewesen sei heute darauf zugeschnitten, den Hunden die Einsätze so erträglich wie möglich zu gestalten. „Wir tun alles für unsere Hunde“, versichert Johann Arndt. „Die Diskussion hat ein falsches Grundbild erzeugt. Wir quälen unsere Tiere nicht.“
„Wir haben duale Hunde“, erklärt Beate Rahn weiter. „Sie sind Schutz- und Spürhunde zugleich.“ Die Ausbildung sei sehr aufwendig. Nur wenige Hunde seien für den Polizeidienst geeignet, man könnte sagen, nur die auffälligsten. Hunde, die nicht aufgeben, die hartnäckig sind, getrieben, bis sie ihr Spielzeug oder ihre Belohnung erhalten. „Der Spürdienst ist anstrengend, der Hund muss ausdauernd sein, darf nicht vorzeitig abbrechen“, führt Beate Rahn aus. Hunde wie Cravlli also. Dabei ziehe die Polizei nur im Einzelfall Welpen auf, oft sind es Hunde von Privatleuten. Hunde, die als gefährlich gelten und sonst ins Tierheim müssten.
Die Spezialisierung ist das eine, die Schutzhund-Ausbildung das andere. Und hier kommt das Stachelhalsband ins Spiel. Ein Schutzhund müsse angstfrei und selbstbewusst sein. „Wir gehen mit den Diensthunden beispielsweise an Autobahnen entlang. Sie dürfen keine Angst vor Schüssen haben oder vor dunklen Räumen“, so Johann Arndt.
Die Ausbildung erfolge über mehrere Stufen, erklärt er weiter. Dabei werde die Aggressivität verstärkt, der Beutetrieb, der Wehrtrieb. „Wir zeigen dem Hund, dass es gut ist, seinem natürlichen Trieb folgend aggressiv zu sein.“ Die Hunde würden dabei in eine Extremphase gebracht. „Und müssen für uns trotzdem ansprechbar sein.“ Das Halsband, das jetzt verboten sein soll, helfe dabei. Ein kurzer Reiz und der Hund komme aus seinem Adrenalinschub. Es sei nie darum gegangen, das Halsband langfristig anzulegen, versichert Johann Arndt. „Das Problem ist, dass normale Hundehalter nie in die Situationen kommen, in die wir unsere Hunde bringen.“
Auf den Hund gekommen
Im Einsatz von Diensthunden muss mit einer starken Belastung von außen gerechnet werden. Dies gilt insbesondere bei der Gegenwehr von Straftätern. Damit es nicht zu einer Überbelastung der Tiere im Einsatz kommt, werden die Diensthunde schrittweise an die Belastung herangeführt. Dabei werden den Diensthunden die Reize - auch unangenehme - in geriner Dosis präsentiert, sodass sie schließlich im Einsatz diesen keine Bedeutung mehr beimessen und ignorieren. Denn nur ein Hund, der auch unangenehme Reize wie etwa Tritte oder Schläge eines Straftäters ignorieren kann, dient auch in einem hohen Maße der Sicherheit der Beamten beziehungsweise Unbeteiligter.
Die Arbeit der Diensthundeführer würde ohne das unerschütterliche Vertrauen des Hundes nicht funktionieren, ergänzt Beate Rahn. Für vertrauensvolle und belastbare Beziehungen spielen Bedürfnisse, Motivation und externe Faktoren ebenso eine Rolle wie die verbale und nonverbale Kommunikation zwischen Mensch und Vierbeiner. Zudem „Hund und Hundeführer leben zusammen. Bis zum Ende des Hundelebens. Das ist ein gewachsenes, persönliches Verhältnis.“ Im Dienst sei der Hund Diensthund, zu Hause auch Schmusehund. „Viele unserer Hundeführer haben Familie, kleine Kinder. Da sind die Hunde genauso gut integriert.“ Gewalt würde diese Bindung zerstören und könnte den Hundeführer sogar in Gefahr bringen.
Schutzhunde wie Cravlli werden in schwierigen und gefährlichen Situationen eingesetzt. Dafür müssen sie perfekt ausgebildet sein, meint Johann Arndt. Sie sollen die Polizei unterstützen und müssten manchmal auch den Kopf hinhalten, wenn ein Menschenleben mehr wert ist als das ihre. Und oft genug wirkten sie einfach nur deeskalierend, beispielsweise bei rivalisierenden Fußballfans. Dann reiche der Anblick der Tiere und eine aggressive Situation löse sich auf. „Die Polizei Brandenburg schützt und respektiert das Tierwohl und setzt den Schutzgedanken der neuen Verordnung um. Dennoch sehen wir Nachbesserungsbedarf für polizeiliche Belange“, bekräftigt Beate Rahn.