Schlösserstiftung übergibt von Nazis enteignetes Bild an jüdische Erben
„Wir können heute etwas zurückgeben, was uns gar nicht gehört“, sagte vergangene Woche Christoph Martin Vogtherr, Generaldirektor der Stiftung preußische Schlösser und Gärten (SPSG). 81 Jahre nach der Enteignung durch die Nationalsozialisten hat die Stiftung ein Kunstwerk den Enkeln der Alteigentümerin Irene Beran zurückgegeben. Enkel Max Beran nahm im Zentralen Kunstdepot in Potsdam das Gemälde „Schäfchen“ des Malers Thomas Theodor Heine entgegen. Max Beran, der in Großbritannien lebt, kam in Begleitung seines Sohnes und seines Enkels.
Den Angaben der Stiftung zufolge befand sich das Bild spätestens seit 1930 in der Kunstsammlung Irene Berans (1886-1979) in ihrem Haus in Brno (Tschechien). Haus und Sammlung seien 1941 als jüdischer Besitz von den deutschen Besatzern enteignet worden.
„Museen sind Einrichtungen mit großem moralischen Anspruch. Diesem Anspruch müssen wir gerecht werden“, erklärte der Generaldirektor. Lange hätten Museen in der Frage der Rückgabe geraubter Kunst nichts sehen, hören und sagen wollen. Diese Zeiten seien glücklicherweise vorbei. Was von den Nazis oder in der sowjetischen Besatzungszone enteignet wurde, erhalten die Erben zurück, wenn die Stiftung sie ermitteln kann. Schon seit dem Jahr 2004 gibt es eigens für diesen Zweck angestellte Mitarbeiter. Dabei wurde festgestellt, dass zirka 1.000 Objekte vermutlicher Fremdbesitz sind, also die Eigentumsfrage zu überprüfen ist. Viele dieser Objekte werden im Depot aufbewahrt.
Verfolgung und Enteignung
Ein Großteil dieser Kunstgüter stammt aus brandenburgischen Schlossbergungen, die im Rahmen der Bodenreform durchgeführt wurden, sowie anderen Enteignungen durch die Sowjetische Militäradministration, aber auch aus fehlgeleiteten Kriegsverlagerungen, sowohl aus privater Hand als auch von anderen deutschen Museen. Auch fehlgeleitete Rückgaben von Museumsgut, das anlässlich der sowjetischen Rückgabeaktion von Beutekunst 1958/59 nach Potsdam kam, konnten in den Beständen identifiziert und restituiert werden. Als Ergebnis ihrer Provenienzforschung konnte die Stiftung seit 2004 rund 160 Kunstwerke an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben.
1905, als das Bild „Schäfchen“ gemalt wurde, hatte Irene den Unternehmersohn Philipp Beran geheiratet. In den 1920er Jahren verliebte sie sich jedoch in dessen jüngeren Bruder Bruno. Die Ehe mit Philipp wurde 1935 geschieden. Irene und Bruno zogen nach Paris, überlebten den Zweiten Weltkrieg in den USA und starben 1979 in Palma de Mallorca. Philipp blieb nach der Scheidung im tschechischen Brno und bei ihm blieb auch ein Teil von Irenes wertvoller Kunstsammlung, darunter das „Schäfchen“. Die Besitzverhältnisse konnten durch umständliche und langwierige Nachforschungen nachvollzogen werden.
Philipp Beran wurde am 5. Dezember 1941 ins KZ Theresienstadt verschleppt, am 15. Januar 1942 nach Riga deportiert und dort ermordet. Die Nazis verkauften sein Haus und die Einrichtung. 1948 tauchte das Bild „Schäfchen“ an einem Kontrollpunkt im brandenburgischen Wittenberge auf, als die sowjetische Militäradministration eine große Zahl von Kunstwerken beschlagnahmte, die heimlich in den Westen Deutschlands verfrachtet werden sollten. Wer sich als Schmuggler betätigte, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.
Um 1950 herum gelangten 100 der beschlagnahmten Kunstwerke zu den Staatlichen Schlössern und Gärten Potsdam-Sanssouci, dem DDR-Vorgänger der heutigen Stiftung. Es war im Potsdamer Schloss Cecilienhof ausgestellt, lagerte aber die vergangenen acht Jahre im Depot.
Der Wert des nun zurückgegebenen Bildes wurde nicht beziffert. Für die Familie Beran hat dieses Gemälde aber weniger einen finanziellen, als vielmehr einen ideellen Wert. Sie möchte es nicht verkaufen. Das Gemälde soll im Haus von Sohn Tom seinen Platz finden. Ein von Hugo von Habermann (1849–1929) gemaltes Porträt von Irene Beran konnte die Stiftung bereits 2007 an die Familie übergeben.
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