Die Lage spitzt sich zu: Die Corona-Pandemie hat nicht nur den Menschen im Land privat und beruflich zugesetzt, sondern auch zahleiche soziale Träger in eine existenzbedrohende Lage gebracht. Insbesondere niedrigschwellige Angebote wie Tafeln, Kleiderkammern und Möbelbörsen aber auch Beratungsangebote für chronisch Erkrankte oder Alleinerziehende sind existentiell bedroht. Symbolfoto: Pixabay
Wohlfahrtsverbände schlagen Alarm, denn vielen Hilfsangeboten droht das Aus
Die Tafeln in Brandenburg haben durch Corona einen enormen Zulauf, zusätzlich auch durch Geflüchtete aus der Ukraine. „Es brennt“, so Siegfried Unger von der Gesellschaft für Arbeit und Soziales (GefAS). „So viele Lebensmittel können wir gar nicht ranschaffen“, sagte er. Zudem machten gestiegene Spritpreise die Arbeit immer schwerer. „Die Einrichtungen müssen von der Politik unterstützt werden.“
Eine Teuerungswelle und eine hohe Inflation, verursacht auch durch den Ukraine-Krieg, erhöhen die Armutsgefahr. Dazu kommen noch in Zukunft durch die Klimasituation größere Ausgaben für Haushalte. Und als ob das allein nicht schon genug wäre, droht nun auch einigen sozialen Einrichtungen wie Beratungsstellen und Begegnungsstätten in Brandenburg die Schließung, warnte vergangene Woche die Landesarmutskonferenz, ein Zusammenschluss Brandenburger Sozialverbände.
Doch gerade durch die Pandemie steigt der Beratungs- und Unterstützungsbedarf vieler Bevölkerungsgruppen, gleichzeitig fallen durch die Coronakrise Einnahmequelle für nun noch dringender benötigte soziale Projekte weg. Die Landesarmutskonferenz warnt nun eindringlich vor der Schließung sozialer Einrichtungen im Land. „In Brandenburg sind wegen unzuverlässiger und unzureichender Finanzierung alle niedrigschwelligen Angebote des sozialen Bereichs massiv gefährdet“, heißt es in einem Positionspapier, das vorgestellt wurde.
„Das Hilfenetz im Land Brandenburg ist ohnehin nicht so engmaschig. Nun droht es zu zerreißen“, macht Andreas Kaczynski, Sprecher der Landesarmutskonferenz und Vorstand des Paritätischen, dem Dachverband der Wohlfahrtsverbände in Brandenburg, deutlich. Die seit langem prekäre Finanzierungssituation der Einrichtungen habe sich infolge der Pandemie nochmals verschärft. „Mit Blick auf die Finanzierung der steigenden Betriebskosten stehen viele Träger inzwischen mit dem Rücken an der Wand“, heißt es in dem Papier der Armutskonferenz. Weil Einrichtungen und Dienste während der Pandemie über Monaten hinweg den Betrieb stark einschränken oder schließen mussten, seien Einnahmequellen versiegt. Gleichzeitig hätten die Träger Kosten für Masken, Hygienemaßnahmen und Tests tragen müssen.
Die flächendeckende Versorgung der Brandenburger mit Hilfs- und Beratungsangeboten sei nicht gesichert, so die Sozialvertreter. Betroffen seien Angebote für einkommensarme Menschen wie Tafeln, Kleiderkammern und Möbelbörsen, aber auch Begegnungsstätten für Senioren, Projekte für Kinder und Jugendliche sowie Beratungsstellen für Suchtkranke, Schuldner, Arbeitslose und Alleinerziehende.
Von den 32 Standorten des Arbeitslosenverbands Brandenburg stünden aktuell fünf zur Disposition, 75 Projekte wie Möbelbörsen drohe die Einstellung, so die Verbandsvorsitzende Inga Karina Ackermann. Vor allem im Süden des Landes, beispielsweise im Landkreis Elbe-Elster stünden Beratungsstellen vor dem Aus, wenn die Kommunen, die maßgeblich für die Geldzuschüsse zuständig sind, kein Entgegenkommen zeigten. Ähnliches berichtet Ines Große, Vorstandsvorsitzende der Volkssolidarität in Brandenburg. Gerade für Rentner, die während der Pandemie oft völlig isoliert gewesen seien, sind die rund 60 Senioren-Begegnungsstätten im Land wichtige Orte, um Zuwendung und Austausch zu erfahren. „Fünf unserer Standorte sind nun gefährdet“, berichtet Ines Große. Vor allem Begegnungsstätten im ländlichen Raum wie der Uckermark, die in angemieteten Häusern untergebracht sind, kämpften ums Überleben.
Auch Kinder und Jugendliche hätten in der Pandemie viel durchgemacht, sagt Franziska Löffler, Leiterin des Büros Kindermut der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Potsdam. „Die seelische Gesundheit hat gelitten, das haben inzwischen mehrere Studien belegt.“ Speziell für 14- bis 18-Jährige müssten neue Programme entwickelt werden, um Jugendliche, die während Corona Ängste entwickelt haben, aufzufangen „sonst wird uns das gesellschaftlich auf die Füße fallen.“ Zudem kritisierte sie die fortlaufende Antragstellung in Projektform. So hangele man sich von einem zum anderen Projekt, um die Fortsetzung bestimmter Angebote überhaupt realisieren zu können. Von Langfristigkeit keine Spur.
Die in der Armutskonferenz versammelten Verbände und Vereine fordern eine bessere finanzielle Unterstützung. Ein grundsätzliches Problem sei zudem, dass die Vereine einen Eigenanteil von 20 Prozent aufbringen müssten – zum Beispiel aus Gewinnen. „Wir können keine Gewinne machen“. „Unsere Projekte sind für Menschen da, die am Rande der Gesellschaft stehen“, so Inga Karina Ackermann.