Ob Filmprojekte, Training für Multiplikatoren oder Gaming: In der Medienwerkstatt am Schlaatz haben seit 1991 Viele ihr Glück gefunden
Vor 30 Jahren hatte der heute bei Jugendlichen so beliebte Berufswunsch „Irgendwas mit Medien“ noch eine ganz andere Bedeutung. Internet und E-Mail waren für die meisten weitgehend unbekannt, Filme entstanden noch auf Video und Computerspiele bestanden aus holprig daher kommenden pixeligen Gestalten. Mobiltelefone waren riesig und konnten nur das, wofür ihr Name steht: Telefonieren. An Smartphones mit Videofunktion war damals nicht zu denken.
Und dennoch gab es auch Anfang der 90er-Jahre schon vorausschauende Menschen, die in der Medienbildung für Jugendliche die Zukunft sahen. So entstand auf Initiative des damaligen Studenten Jens-Uwe Heinrich aus Potsdam 1991 die Medienwerkstatt am Schlaatz.
Schülerzeitungen, Fotos und Comics
In den Räumen neben der ehemaligen Kita, die längst Bürgerhaus geworden ist, konnten Jugendliche die demokratische Mediennutzung lernen, Schülerzeitungen produzieren oder Comics zeichnen lernen. Ein Fotolabor erlaubte das Entwickeln eigener Aufnahmen und an einem Videoschnittplatz konnten sich zukünftige Filmemacher in Kreativität und Fingerfertigkeit üben. Das Land stellte Mittel zur Anschaffung der technischen Ausstattung zur Verfügung und Kinder aus der ganzen Stadt wurden zu Kinovorführungen eingeladen. Nebenbei entstand die Idee einer familienfreundlichen Videothek, in der neben den Filmen auch Videorecorder ausgeliehen werden konnten. Videorecorder - wer hat wohl heute noch einen?
Am Dienstag hat die Medienwerkstatt mit einem Festakt im Potsdam Museum ihren 30. Geburtstag gefeiert und Rückschau gehalten. Denn so wie sich die Medien in rasantem Tempo weiter entwickelt haben, haben es auch die Mitarbeitenden der Medienwerkstatt. Ihrem Ziel der Jugendmedienbildung sind sie jedoch immer treu geblieben, und auch der Standort am Schlaatz ist heute noch der gleiche wie in den Anfängen.
Seit 25 Jahren im Chefinnensessel
Seit 1997 leitet Ute Parthum das Projekt. Wenn sie heute zurückblickt, war es damals schon eine große Herausforderung, als man ihr mit 28 Jahren Ausbau und Leitung der Werkstatt anbot. Aus ihrer sächsischen Heimat war die Medienpädagogin zum Studium der Kulturwissenschaften an die Humboldt-Universität nach Berlin gekommen. Dort hatte sie die Gründung von Medienwerkstätten als Folge des "Runden Tischs der Jugend" miterlebt und für den Trägerverein gearbeitet. Nach Stationen in Medienwerkstätten in Berlin-Mitte und -Hellersdorf bekam sie in Potsdam plötzlich viel mehr Verantwortung. Dennoch ist sie erst sechs Jahre später mit ihrer kleinen Tochter in Potsdam heimisch geworden und engagiert sich inzwischen längst auch politisch in der Stadt.
Erst Jugendclub, jetzt Fortbildungen
Aus der anfänglichen Freizeiteinrichtung ist in den vergangenen drei Jahrzehnten weit mehr als eine reine Bildungseinrichtung für Kinder und Jugendliche geworden. Seit 2001 wird beispielsweise der Kinderstadtplan "Hast‘n Plan?", der Mitte Dezember in der vierten Auflage erscheint, in der Medienwerkstatt erarbeitet. Eine Online-Version für Jugendliche steht ebenfalls auf der To-Do-Liste der Medienpädagogen. Bis 2006 habe die Werkstatt auch die Funktion eines Jugendclubs inne gehabt, erzählt Ute Parthum, ein offenes Haus, in das alle Interessierten kommen konnten. Dann folgte jedoch eine Durststrecke mit
Stellenkürzungen und die Aktivitäten mussten sich ändern.
Geblieben ist in Potsdam mit einigen Hochs und Tiefs auch etwas, das seine Geburtstunde ebenfalls in der Medienwerkstatt hatte: das Potsdamer Stadtfernsehen, heute Hauptstadt TV.
Mittlerweile steht die Fortbildung von Multiplikatoren im Mittelpunkt der Aktivitäten der Medienwerkstatt. Dabei geht es auch um die Nutzung digitaler Medien im Klassenzimmer und um den Jugendschutz. Schulprojekte, die seit 2011 auf dem Programm stehen, befassen sich mit Pro-blemen wie Cybermobbing, dem die Kids ausgesetzt sind, oder der exzessiven Mediennutzung in Coronazeiten. Speziell auf die Nutzung von I-Pads für Kinder aus benachteiligten Familien bereitet das Projekt "digidu- Starthilfe digitales Lernen" vor. Auch Eltern werden inzwischen in das Programm mit einbezogen. Der "Potsdamer Eltern-Medien-Tag – Familienleben digital" wurde 2019 mit dem Anerkennungspreis der Medienanstalt Berlin-Brandenburg und des Brandenburger Bildungsministeriums ausgezeichnet.
Die Finanzierung sei vorerst gesichert, sagt Ute Parthum. 80 Prozent der Kosten trägt die Stadt, außerdem gibt es Präventions- und Modellprojekte, die durch unterschiedliche Geldgeber wie Aktion Mensch oder Stiftungen getragen werden. Unterstützung gibt es zudem durch Teilnehmerbeiträge aus den Fortbildungen für Erwachsene.