Ob Bio oder konventionell: Die landwirtschaftliche Haltungsform von Nutztieren sagt aus Sicht der Verbraucherorganisation foodwatch nichts über Gesundheit und Wohlergehen der Tiere aus
Verpackungslabel, die Verbrauchern im Supermarkt Aufschluss über Art und Weise der Tierhaltung geben sollen, berücksichtigen den Gesundheitsaspekt nicht, betont Foodwatch. Das gelte auch für die von Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) geplante gesetzliche Kennzeichnung von Tierprodukten. „Es wird das Tierleid nicht beenden“, so Annemarie Botzki, Autorin des foodwatch-Reports. Im Gegenteil: „Es täuscht Verbraucherinnen und Verbraucher.“ Denn die Haltungsform lasse keine Rückschlüsse auf die Gesundheit der Tiere zu.
Derweil würden Millionen Nutztiere massiv unter Krankheiten leiden, Verletzungen und Schmerzen - egal ob sie auf einem Bio-Hof oder einem konventionellen Betrieb leben. Für den Report „Tierleid im Einkaufskorb“ hat foodwatch tiermedizinische Studien ausgewertet. Das Ergebnis ist vernichtend: In allen Haltungsstufen leiden Tiere unter produktionsbedingten Krankheiten.
Ein Beispiel: Knapp 40 Prozent aller Schweine in konventioneller Haltung haben krankhafte Befunde wie Lungenentzündungen, offene Wunden oder Abszesse – in der Bio-Haltung sind es mit 35 Prozent kaum weniger.
Bei anderen Nutztieren zeigt sich ein ähnliches Bild: Bis zu 39 Prozent aller Milchkühe leiden an schmerzhaften Erkrankungen der Klauen. Bis zu 97 Prozent aller Legehennen weisen Knochenbrüche auf – in Käfighaltung ebenso wie in der Bio-Haltung. Eier, Milch und Fleisch dieser kranken Tiere landen trotzdem massenhaft im Supermarkt, ohne dass das für Verbraucher ersichtlich ist. Eine konkrete Gesundheitsgefahr für Konsumenten bestehe aber nicht, erklärten die Foodwatch-Experten. Die öffentliche Diskussion um eine bessere Tierhaltung dreht sich bislang lediglich um neue Siegel oder Stallumbauten, dabei zeigen die Studien: Kranke und verletzte Tiere gibt es auf kleinen Bio-Höfen genauso wie in großen Tierfabriken. Ob Hühner, Schweine oder Kühe gesund sind, hängt nicht nur davon ab, ob der Stall ein paar Zentimeter größer ist oder Stroh auf dem Boden liegt, sondern ganz entscheidend auch vom Stallmanagement - also wie gut, oder schlecht, der Landwirt den Betrieb führt.
Nutztierhaltung ist hochkomplex und stellt große Anforderungen an die Halter. Die Lösung für Tiergesundheit liege nicht in Vorgaben für die Haltungsform, sondern in der systematischen Erfassung von Gesundheitsdaten für jeden einzelnen Betrieb, so Professor Dr. Albert Sundrum, ehemaliger Fachgebietsleiter Tierernährung und Tiergesundheit an der Universität Kassel, der den Foodwatch-Report begleitet hat.
Tiergesundheit als Qualitätsleistung honorieren
Während es manche Betriebe schaffen, konstant gute Tiergesundheit zu erreichen, gebe es auf anderen Höfen immer wieder Probleme mit kranken und verletzten Tieren. Es gebe aber keinen direkten Zusammenhang zwischen der Größe eines Betriebs und der Tiergesundheit.
Das Problem liege vielmehr im Agrarwirtschaftssystem, meint Dr. Albert Sundrum. Denn unter den aktuellen Bedingungen sei am besten aufgestellt, wer die niedrigsten Kosten habe. Dieser „Preisunterbietungswettbewerb“ sorge dafür, dass vielfach nur die Minimalanforderungen erfüllt würden.
Keine gesetzlichen Vorgaben für Tierhalter
Bisher gibt es laut foodwatch keinerlei gesetzliche Vorgaben für Tierhalter, dass sie ihre Tiere gesund halten müssen. Das solle sich ändern. Foodwatch hat einen Leitfaden vorgestellt, wie das gelingen kann: Demnach muss für jeden Betrieb systematisch der Gesundheitszustand von Nutztieren erfasst werden. Dafür können auch Daten verwendet werden, die bereits heute erhoben werden, zum Beispiel in Schlachthöfen. Daraus müssten aber auch Schlüsse gezogen werden. Auf Basis der Daten muss ein überbetrieblicher Gesundheitsindex eingeführt werden, mit dem verglichen werden kann: Welche Betriebe schneiden gut ab? Welche Betriebe haben immer wieder Probleme mit kranken Tieren?
Betriebe mit mangelhafter Tiergesundheit sollten beraten und zu Verbesserungen aufgefordert werden. Für Betriebe mit wiederholt schlechten Ergebnissen muss es Konsequenzen geben, etwa die Kürzung von Agrarsubventionen oder, als letztes Mittel, ein Tierhaltungsverbot. Landwirte, die gut abschneiden, sollten hingegen belohnt werden. Sie könnten zum Beispiel von Molkereien und Schlachthöfen höhere Preise ausgezahlt bekommen. Jetzt sei die Bundesregierung am Zug, eine solche Tiergesundheitsstrategie vorzulegen und umzusetzen.